Sunday, November 27, 2016

Virus Zensur: Landnahme im Infowar

In Europa hat der Trump-Schock ebenfalls einschlägige Aktivitäten ausgelöst: “Aus Furcht vor weiteren Wahlerfolgen populistischer Bewegungen werden in Europa strengere Auflagen für soziale Netzwerke gefordert”, liest man über Brüsseler Pläne. Volker Kauder gibt den beißlustigen Kettenhund seiner Herrin und bellt in der WELT: “Wenn das Netz weiter lügt, ist mit der Freiheit Schluss”. Nach diesem rüden Auftritt folgte die Kanzlerin im Bundestag und kündigte in gewohnter Merkel-Moderation an: “Wir müssen mit diesem Phänomen umgehen und – wo notwendig – regulieren,” weil “das unseren Grundsätzen widerspricht.”
Gerade hat dieselbe Frau versprochen, in einer 4. Kanzlerschaft die Digitalisierung des Landes voranzutreiben, und das erste, was ihr dazu konkret einfällt, ist staatliche Regulierung.
Offenbar reichen die Kontrollen, Einschüchterungen und Denunziationen durch die popstalinistischen Hosenschlitzriecher der “Amadeu-Stiftung” und die Mobilisierung der Schulkinder zu Volksfahndern gegen “Hetze im Netz” im Rahmen des Google-Projekts “NichtEgal” immer noch nicht aus.[...]
Zwei einschlägig ausgewiesene Haudegen der publizistischen Landnahme möchten aus dem US-“Wahlkampf gegen die Medien” rasch “Konsequenzen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland” ziehen. Wolfgang Hagen, ehemals Redakteur im bekannt pluralistischen Radio Bremen und jetzt Medienwissenschaftler in Lüneburg , hat sich mit dem Literaturwissenschaftler und Projektleiter des ARD-Online-Kanals Hermann Rotermund zusammengetan, um abermals die Expansion der präferierten Sender zu fordern.
Ihr Verständnis des Mediensystems ist dabei erhellend für Denkweisen, wie sie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk endemisch sind. Denn für Hagen und Rotermund ist das US-Mediensystem strukturell “unfair”, erlaubt es doch mit Talkradios und Fox News Sendern den Zutritt zur Öffentlichkeit, die nicht auf deutsche Schwurformeln von “Ausgewogenheit” verpflichtet zu sein.
Die Zulassung eines Pluralismus, der über das hinausgeht, was in ARD und ZDF als denkbar gilt, erscheint den beiden Autoren als riskant, weil er mit Verlust der Diskurskontrolle und Aufkündigung dessen verbunden ist, was sie “medienkulturellen Konsens” nennen. Wer diesen Konsens wie herbeiführt, darüber erfährt man freilich nichts, kann es aber leicht ahnen: Es sind jene “Eliten”, die als Vormünder die allein demokratieförderliche Mediendiät der Bürger zusammenstellen.
Man sieht: hier artikuliert sich das ungebrochene Selbstverständnis eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks deutschen Typs, das sich durch keine Herausforderung in seinen Gewissheiten erschüttern lassen will. Man ist stolz darauf, dass hierzulande die Medienszene noch gesellschaftssanitär sauber ist. Eine Form von Meinungsfreiheit, die Raum lässt für die die ganze Bandbreite der gesellschaftlichen Diskussion, auch da, wo es ungewaschen, flegelhaft, geschmacklos zugeht, macht den beiden Herren Angst. Die Enge der deutschen Verhältnisse nehmen sie nicht wahr, faseln stattdessen davon, dass nur im Internet “die Nutzer nur eine Teilansicht des gegebenen Meinungs- und Verhaltensspektrums” rezipieren. Offenbar halten sie das, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Verein mit den meinungsbildenden Blättern der Republik dem Publikum bietet ,für die ganze Fülle dessen, was in Deutschland gedacht und gemeint wird. Dabei klagte schon Kurt Tucholsky darüber, dass die meisten Zeitungsleser nur eine Zeitung lesen, und zwar die, die ihre Ansicht bestätigt. Daran dürfte sich kaum etwas geändert haben. Abonnenten der Süddeutschen Zeitung, die zugleich die Junge Freiheit sich liefern lassen, dürften eine winzige Minderheit bilden.
Anders als Kauder, Maas und Merkel geht es Hagen und Rotermund aber nicht um repressive Massnahmen zur Sicherung der bedrohten Diskurskontrolle. Sie setzen darauf, die neuen Medien mit einer erheblichen Ausweitung öffentlich-rechtlicher Angebote zu fluten. Sie folgen dem Vorschlage des ÖRF-Moderators Armin Wolf, “der dafür plädierte, die bestehenden Plattformen mit dem Einsatz von sehr viel mehr Personal als bisher massiv journalistisch zu bearbeiten.”
Mit erhabener Dreistigkeit wird hier die “Verstärkung der Präsenz” im Netz zu einer Aufgabe geadelt, deren Erfüllung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu einem zentralen Bollwerk der Demokratie-Sicherung macht. In unauflöslicher Kumpanei mit der herrschenden politischen Klasse verbunden und hinter den Wällen höchstrichterlicher Urteile wohlverwahrt , sollen sich ARD und ZDF bereit machen zu einer nächsten Expansionsrunde, die durch die schiere Masse der eigenen Angebote den Gegner in die Unauffindbarkeit drückt. Unternehmensstrategische Ziele treffen sich hier aufs schönste mit dem Wunsch, Medien als volkspädagogisch wirkende Nannies beizubehalten.
Während die Presse auf Grund ihrer Abhängigkeit vom immer volatileren Markt unter Druck geraten und möglicherweise der Versuchung erliegen könnte, den “bislang bestehenden medienkulturellen Konsens” selber aufzukündigen, ist der zwangsfinanzierte ö.-r. Rundfunk dagegen gesichert und entschlossen, diesen Vorteil zu nutzen.
Die Offenherzigkeit, mit der hier Positionen vertreten werden, die in der Sache auf Einschränkungen und Erschwernisse für ein breites Meinungs- und Informationsangebot hinauslaufen, ist kennzeichnend für die Aggressivität, mit der das herrschende juste milieu auf die Provokation durch die neuen Volksbewegungen reagiert. Es wächst dort die Neigung, die schwierige Kommunikation mit den Menschen anderer Meinung abzubrechen oder nur noch sehr kanalisiert zuzulassen. Wer die eigenen Bürger aber zu “Pack” erklärt oder sie schlicht für zu dumm hält, beschädigt die vielbeschworene “Debattenkultur” aber sicher mehr als der eine oder andere Internetrüpel.
 http://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/landnahme-im-infowar/

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