Sunday, February 15, 2015

„Israel-Kritik“ auf Dänisch: Mordanschlag auf Synagoge

von Gerrit Liskow

Nachdem am gestrigen Samstag ein Einzeltäter erst nachmittags eine Veranstaltung über Blasphemie und Meinungsfreiheit in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen „ins Visier nahm“ (Ergebnis: ein Toter, drei Verletzte), fiel vermutlich dieselbe Person in der Nacht zum Sonntag über die Synagoge in der Krystalgade her und brachte dort einen weiteren Menschen um.
Aus Sicht des Amtsgerichts Wuppertal wird es sich dabei selbstverständlich nicht um einen antisemitischen Anschlag handeln, sondern um jene „Israel-Kritik“, die völlig legitim wäre. Wird die deutsche Rechtsprechung vielleicht auch in zweiter Instanz der Meinung sein, dass das Recht des Attentäters auf freie Meinungsäußerung durch das Grundgesetz in einem viel weiteren Umfang geschützt sei, als etwa das Recht der Besucher eines Kulturzentrum, am Leben zu bleiben?
Zuvor waren die Attentäter, die im Sommer letzten Jahres den Brandanschlag auf die Wuppertaler Alte Synagoge verübt hatten, zu milden Bewährungsstrafen verurteilt worden, weil es sich bei dem Attentat aus Sicht des Wuppertaler Amtsgerichts nur um freie Meinungsäußerung gehandelt hätte. Immerhin wollten die Angeklagten doch „nur die Aufmerksamkeit auf den Gaza-Konflikt lenken“, wie es die Taz ihren LeserInnen so verständnisvoll ins Innenohr raunt, als ob dieser „Gaza-Konflikt“ zur fraglichen Zeit unter mangelnder Aufmerksamkeit gelitten hätte.
Man weiß, wenn man versucht, die Urteilsbegründung der Wuppertaler Richter zu verstehen, nicht genau, um was es sich dabei handelt: Ist das nun eher klassischer Antisemitismus nationalsozialistischer Schule oder doch der derzeit angesagte „linke“ Neo-Faschismus? Ist es einfach nur „Palästina“-Solidarität oder alles drei zusammen, zu mehr oder weniger gleichen Teilen?
Doch zurück nach Kopenhagen. Dort zog gestern wie gesagt ein junger Mann in den heiligen, bewaffneten Krieg gegen Blasphemie und Judentum. Ein junger Mann, der fließend Dänisch sprach und überhaupt nicht mangelhaft integriert wirkte. Sondern so, als käme er gerade von einer Demo für den fleischfreien Montag in Freiburg/Breisgau bei den Grünen.
Dieser junge Mann erschoss im Kulturzentrum in Krudttonden offenbar einen Zuschauer und verletzte drei weitere Personen, die sich an einer Diskussion mit dem französischen Botschafter in Dänemark, dem schwedischen Mohammed-Karikaturisten Lars Vilkes sowie einer Aktivistin der Striptease-Gruppe Femen beteiligen wollten.
Nach vollbrachter Tat, so der derzeitige Stand der Ermittlung, soll der bewaffnete Einzeltäter sich quer durch die inzwischen polizeilich aufgescheuchte dänische Metropole in die Krystalgade begeben haben. In dieser Straße befindet sich seit vielen Jahrhunderten die Hauptsynagoge der jüdischen Gemeinde in Kopenhagen. Dort fand gerade eine Bar Mitzwah Feier mit 80 Teilnehmern statt, die einzig und allein das Eingreifen ihres eigenen Sicherheitsdienstes vor noch viel Schlimmerem bewahrt hat: Danny Rosenberg Asmussen gab für sie sein Leben.
Offensichtlich ist in ganz Dänemark keiner auf die Idee gekommen, dass, wer auf Mohammed-Karikaturisten empfindlich reagiert, eventuell auch kein Freund des Judentums sein könnte. Zumindest wurde der Objektschutz vor der Synagoge Krystalgade nicht an die verschärfte Sicherheitslage angepasst, aber es war ja auch schon Wochenende…
Nun ist das nicht weiter verwunderlich, denn es ist aus Sicht der uffjeklärten Einheitsmeinung bekanntlich so, dass gar nichts etwas mit irgendetwas zu tun hat. Vielmehr ereignen sich die Phänomene im „linken“ Paralleluniversum rein zufällig, ohne irgendeinen inneren Zusammenhang, als eine sich willkürlich-unwillkürlich entfaltende Pluralität von Ereignissen, die alle in keinem wie auch immer gearteten Kausalzusammenhang zueinander stehen, sondern hinsichtlich Ursache und Wirkung völlig gleichberechtigt sind.
Das gilt natürlich nur so lange, wie es der uffjeklärten Einheitsmeinung in den „politischen“ oder ideologischen Kram passt; sonst ließe sich das „alternative“ Bewusstsein nämlich nicht hinlänglich von klinischem Irresein unterscheiden.
Denn wenn irgendjemand öffentlich konstatiert, dass man sich als Betreiber eines jüdischen Ladengeschäftes ausgerechnet in den multikulturellsten und vielfältigsten Vierteln deutscher Großstädte in Lebensgefahr bringt, dann ist das natürlich ganz etwas anderes: Das ist dann nämlich „geistige Brandstiftung“ und auf einmal gibt es also doch wieder Ursache und Wirkung.
Wenn Sie sich dafür interessieren, wie das Messen mit zweierlei Maß funktioniert, informieren Sie sich bitte bei Ihrer zuständigen Landeszentrale für „politische“ Bildung, oder besser gleich bei der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, denn in letzter, personeller Instanz ist beides dasselbe, liebe Leserinnen und Leser.
Wer den bisherigen Werdegang der in Deutschland veröffentlichten Einheitsmeinung kennt und vor dem Hintergrund der Ereignisse in Kopenhagen in die Betrachtung einbezieht, kann zu dem Schluss kommen, dass es eigentlich nur eine Frage von Stunden sein wird, bis es aus allen Kanälen dröhnt, „das“ käme eben „davon“. Man könne doch nicht „Aug um Aug vergelten“, das mache die Welt doch blind, jaja! Und spätestens nach den Abendnachrichten werden Günther Jauch und seine Talk-Gäste gemütlich jauchzen, auch Meinungsfreiheit hätte ihre Grenzen; gebührenfinanziert, versteht sich.
All dem liegt die irrige Annahme zu Grunde, der antisemitische oder antiwestliche Terror wäre dem Verhalten eben dieses Westens oder eben dieses „Juden unter den Staaten“ geschuldet. Das ist deshalb so bemerkenswert, weil aus uffjeklärter Sicht sonst immer alles rein zufällig passiert: in einer „linken“ Welt ohne Ursache und Wirkung. Nur der antisemitische, antiwestliche Terror, der hat auf einmal seinen Grund: Schuld ist aus „politischer“ Sicht letztlich „Der Westen“ oder „Der Jude“. Honi soit qui mal y pense…
Ein Blick auf die real existierende Wirklichkeit legt hingegen den Verdacht nahe, dass Islamismus mit Islam in etwa so viel zu tun haben könnte wie Marxismus mir Marx. Und was dem Marxismus seine IRA, Brigade Rosse, RAF, Polh Pot und PLO waren (und sind) das sind dem Islamismus eben sein Islamischer Staat, seine Al-Qaeda, Al-Shabaab, Boko Haram und Taliban.
Es ist daran zu erinnern, dass gerade deutsche Linke nach dem Holocaust besonders eifrig mit dem antisemitischen Terror kollaborierten und paktierten; in den Ausbildungslagern der PFLP und bei der Entführung eines Air France Fluges nach Entebbe, um nur die zwei prominentesten Beispiele zu nennen. Nur sagte man nach dem Krieg eben nicht mehr Nationaler Sozialismus, sondern Internationaler Sozialismus zu dieser Selbstermächtigungsideologie.
Auf dem Gipfel des Links-Terrors in der BRD in den 70ern schätzten die Sicherheitskräfte das UnterstützerInnen-Umfeld der zwanzig bis dreißig notorischsten "FreiheitskämpferInnen" auf ca. 5.000 bis 6.000 Personen. Das „Verständnis“ für deren „politische“ Ziele (wenn auch vielleicht nicht immer für ihr Vorgehen) war wesentlich weiter verbreitet. Selbst wenn das nur eine Minderheit war, hat sie das gesellschaftliche Klima in Deutschland entscheidend und nachhaltig geprägt und tut das bis heute.
Es ist natürlich auch nur eine Minderheit, die die „politischen“ Ziele des Islamismus teilt, und es ist innerhalb dieser kleinen, aber lautstarken Gruppe wiederum nur eine Minderheit, die zur Gewaltanwendung neigt oder diese sogar empfiehlt.
Vor diesem Phänomen die Augen und Ohren zu verschließen, weil einem die (teilweise erst freiwillig angenommene) Religion der TäterInnen nicht in die ideologische Weltanschauung passt, ist nicht nur sehr dumm und verblendet, sondern ein Verbrechen an der Wahrheit, das einen für den gesellschaftlich sinnvollen Umgang mit dem islamistischen Terrorismus disqualifiziert.
Die englische Großstadt Rotherham hat es in den letzten Monaten zu trauriger Berühmtheit gebracht, weil die dortigen Behörden jahrzehntelang die Augen vor der gewerblichen Kinderprostitution verschlossen. Vorsichtig geschätzt hat das selbstgefällige Weggucken der kommunalen Behörden rund 1.500 jungen Menschen die Biographie ruiniert. Und zwar nur, weil es im öffentlichen Dienst ein Berufsrisiko war, die Dinge beim Namen zu nennen; und weil Labour natürlich auch die nächste Stadtratswahl gewinnen wollte.
Und denken Sie bitte nicht, man wäre hinterher schlauer, liebe Leserinnen und Leser: Die britische Sozialdemokratie begreift den Missbrauchsskandal von Rotherham noch immer nicht als etwas, das ihrer eigenen, jahrzehntelangen Regierungstätigkeit geschuldet ist (es geschieht ja alles rein zufällig, nicht wahr). Sondern der Labour-Stadtrat und seine Polit-Groupies halten den Dreck, den sie eifrig unter den Teppich kehren, für das Werk böser, verschwörerischer Mächte, die es auf sie abgesehen hätten.
Das ist der wirklich voll entwickelte Wahn, der nur durch den ordnenden Eingriff der Zentralregierung in seinem öffentlichen Wirken zumindest eingeschränkt werden konnte. Irgendwie seltsam, dass der „Linken“ das immer wieder mit derselben Religion passiert.
 haolam

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