von Gerrit Liskow
Nachdem am gestrigen Samstag ein Einzeltäter erst nachmittags eine
Veranstaltung über Blasphemie und Meinungsfreiheit in der dänischen
Hauptstadt Kopenhagen „ins Visier nahm“ (Ergebnis: ein Toter, drei
Verletzte), fiel vermutlich dieselbe Person in der Nacht zum Sonntag
über die Synagoge in der Krystalgade her und brachte dort einen weiteren
Menschen um.
Aus Sicht des Amtsgerichts Wuppertal wird es sich dabei
selbstverständlich nicht um einen antisemitischen Anschlag handeln,
sondern um jene „Israel-Kritik“, die völlig legitim wäre. Wird die
deutsche Rechtsprechung vielleicht auch in zweiter Instanz der Meinung
sein, dass das Recht des Attentäters auf freie Meinungsäußerung durch
das Grundgesetz in einem viel weiteren Umfang geschützt sei, als etwa
das Recht der Besucher eines Kulturzentrum, am Leben zu bleiben?
Zuvor waren die Attentäter, die im Sommer letzten Jahres den
Brandanschlag auf die Wuppertaler Alte Synagoge verübt hatten, zu milden
Bewährungsstrafen verurteilt worden, weil es sich bei dem Attentat aus
Sicht des Wuppertaler Amtsgerichts nur um freie Meinungsäußerung
gehandelt hätte. Immerhin wollten die Angeklagten doch „nur die
Aufmerksamkeit auf den Gaza-Konflikt lenken“, wie es die Taz ihren
LeserInnen so verständnisvoll ins Innenohr raunt, als ob dieser
„Gaza-Konflikt“ zur fraglichen Zeit unter mangelnder Aufmerksamkeit
gelitten hätte.
Man weiß, wenn man versucht, die Urteilsbegründung der Wuppertaler
Richter zu verstehen, nicht genau, um was es sich dabei handelt: Ist das
nun eher klassischer Antisemitismus nationalsozialistischer Schule oder
doch der derzeit angesagte „linke“ Neo-Faschismus? Ist es einfach nur
„Palästina“-Solidarität oder alles drei zusammen, zu mehr oder weniger
gleichen Teilen?
Doch zurück nach Kopenhagen. Dort zog gestern wie gesagt ein junger
Mann in den heiligen, bewaffneten Krieg gegen Blasphemie und Judentum.
Ein junger Mann, der fließend Dänisch sprach und überhaupt nicht
mangelhaft integriert wirkte. Sondern so, als käme er gerade von einer
Demo für den fleischfreien Montag in Freiburg/Breisgau bei den Grünen.
Dieser junge Mann erschoss im Kulturzentrum in Krudttonden offenbar
einen Zuschauer und verletzte drei weitere Personen, die sich an einer
Diskussion mit dem französischen Botschafter in Dänemark, dem
schwedischen Mohammed-Karikaturisten Lars Vilkes sowie einer Aktivistin
der Striptease-Gruppe Femen beteiligen wollten.
Nach vollbrachter Tat, so der derzeitige Stand der Ermittlung, soll
der bewaffnete Einzeltäter sich quer durch die inzwischen polizeilich
aufgescheuchte dänische Metropole in die Krystalgade begeben haben. In
dieser Straße befindet sich seit vielen Jahrhunderten die Hauptsynagoge
der jüdischen Gemeinde in Kopenhagen. Dort fand gerade eine Bar Mitzwah
Feier mit 80 Teilnehmern statt, die einzig und allein das Eingreifen
ihres eigenen Sicherheitsdienstes vor noch viel Schlimmerem bewahrt hat:
Danny Rosenberg Asmussen gab für sie sein Leben.
Offensichtlich ist in ganz Dänemark keiner auf die Idee gekommen,
dass, wer auf Mohammed-Karikaturisten empfindlich reagiert, eventuell
auch kein Freund des Judentums sein könnte. Zumindest wurde der
Objektschutz vor der Synagoge Krystalgade nicht an die verschärfte
Sicherheitslage angepasst, aber es war ja auch schon Wochenende…
Nun ist das nicht weiter verwunderlich, denn es ist aus Sicht der
uffjeklärten Einheitsmeinung bekanntlich so, dass gar nichts etwas mit
irgendetwas zu tun hat. Vielmehr ereignen sich die Phänomene im „linken“
Paralleluniversum rein zufällig, ohne irgendeinen inneren Zusammenhang,
als eine sich willkürlich-unwillkürlich entfaltende Pluralität von
Ereignissen, die alle in keinem wie auch immer gearteten
Kausalzusammenhang zueinander stehen, sondern hinsichtlich Ursache und
Wirkung völlig gleichberechtigt sind.
Das gilt natürlich nur so lange, wie es der uffjeklärten
Einheitsmeinung in den „politischen“ oder ideologischen Kram passt;
sonst ließe sich das „alternative“ Bewusstsein nämlich nicht hinlänglich
von klinischem Irresein unterscheiden.
Denn wenn irgendjemand öffentlich konstatiert, dass man sich als
Betreiber eines jüdischen Ladengeschäftes ausgerechnet in den
multikulturellsten und vielfältigsten Vierteln deutscher Großstädte in
Lebensgefahr bringt, dann ist das natürlich ganz etwas anderes: Das ist
dann nämlich „geistige Brandstiftung“ und auf einmal gibt es also doch
wieder Ursache und Wirkung.
Wenn Sie sich dafür interessieren, wie das Messen mit zweierlei Maß
funktioniert, informieren Sie sich bitte bei Ihrer zuständigen
Landeszentrale für „politische“ Bildung, oder besser gleich bei der
Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, denn in letzter,
personeller Instanz ist beides dasselbe, liebe Leserinnen und Leser.
Wer den bisherigen Werdegang der in Deutschland veröffentlichten
Einheitsmeinung kennt und vor dem Hintergrund der Ereignisse in
Kopenhagen in die Betrachtung einbezieht, kann zu dem Schluss kommen,
dass es eigentlich nur eine Frage von Stunden sein wird, bis es aus
allen Kanälen dröhnt, „das“ käme eben „davon“. Man könne doch nicht „Aug
um Aug vergelten“, das mache die Welt doch blind, jaja! Und spätestens
nach den Abendnachrichten werden Günther Jauch und seine Talk-Gäste
gemütlich jauchzen, auch Meinungsfreiheit hätte ihre Grenzen;
gebührenfinanziert, versteht sich.
All dem liegt die irrige Annahme zu Grunde, der antisemitische oder
antiwestliche Terror wäre dem Verhalten eben dieses Westens oder eben
dieses „Juden unter den Staaten“ geschuldet. Das ist deshalb so
bemerkenswert, weil aus uffjeklärter Sicht sonst immer alles rein
zufällig passiert: in einer „linken“ Welt ohne Ursache und Wirkung. Nur
der antisemitische, antiwestliche Terror, der hat auf einmal seinen
Grund: Schuld ist aus „politischer“ Sicht letztlich „Der Westen“ oder
„Der Jude“. Honi soit qui mal y pense…
Ein Blick auf die real existierende Wirklichkeit legt hingegen den
Verdacht nahe, dass Islamismus mit Islam in etwa so viel zu tun haben
könnte wie Marxismus mir Marx. Und was dem Marxismus seine IRA, Brigade
Rosse, RAF, Polh Pot und PLO waren (und sind) das sind dem Islamismus
eben sein Islamischer Staat, seine Al-Qaeda, Al-Shabaab, Boko Haram und
Taliban.
Es ist daran zu erinnern, dass gerade deutsche Linke nach dem
Holocaust besonders eifrig mit dem antisemitischen Terror kollaborierten
und paktierten; in den Ausbildungslagern der PFLP und bei der
Entführung eines Air France Fluges nach Entebbe, um nur die zwei
prominentesten Beispiele zu nennen. Nur sagte man nach dem Krieg eben
nicht mehr Nationaler Sozialismus, sondern Internationaler Sozialismus
zu dieser Selbstermächtigungsideologie.
Auf dem Gipfel des Links-Terrors in der BRD in den 70ern schätzten
die Sicherheitskräfte das UnterstützerInnen-Umfeld der zwanzig bis
dreißig notorischsten "FreiheitskämpferInnen" auf ca. 5.000 bis 6.000
Personen. Das „Verständnis“ für deren „politische“ Ziele (wenn auch
vielleicht nicht immer für ihr Vorgehen) war wesentlich weiter
verbreitet. Selbst wenn das nur eine Minderheit war, hat sie das
gesellschaftliche Klima in Deutschland entscheidend und nachhaltig
geprägt und tut das bis heute.
Es ist natürlich auch nur eine Minderheit, die die „politischen“
Ziele des Islamismus teilt, und es ist innerhalb dieser kleinen, aber
lautstarken Gruppe wiederum nur eine Minderheit, die zur Gewaltanwendung
neigt oder diese sogar empfiehlt.
Vor diesem Phänomen die Augen und Ohren zu verschließen, weil einem
die (teilweise erst freiwillig angenommene) Religion der TäterInnen
nicht in die ideologische Weltanschauung passt, ist nicht nur sehr dumm
und verblendet, sondern ein Verbrechen an der Wahrheit, das einen für
den gesellschaftlich sinnvollen Umgang mit dem islamistischen
Terrorismus disqualifiziert.
Die englische Großstadt Rotherham hat es in den letzten Monaten zu
trauriger Berühmtheit gebracht, weil die dortigen Behörden
jahrzehntelang die Augen vor der gewerblichen Kinderprostitution
verschlossen. Vorsichtig geschätzt hat das selbstgefällige Weggucken der
kommunalen Behörden rund 1.500 jungen Menschen die Biographie ruiniert.
Und zwar nur, weil es im öffentlichen Dienst ein Berufsrisiko war, die
Dinge beim Namen zu nennen; und weil Labour natürlich auch die nächste
Stadtratswahl gewinnen wollte.
Und denken Sie bitte nicht, man wäre hinterher schlauer, liebe
Leserinnen und Leser: Die britische Sozialdemokratie begreift den
Missbrauchsskandal von Rotherham noch immer nicht als etwas, das ihrer
eigenen, jahrzehntelangen Regierungstätigkeit geschuldet ist (es
geschieht ja alles rein zufällig, nicht wahr). Sondern der
Labour-Stadtrat und seine Polit-Groupies halten den Dreck, den sie
eifrig unter den Teppich kehren, für das Werk böser, verschwörerischer
Mächte, die es auf sie abgesehen hätten.
Das ist der wirklich voll entwickelte Wahn, der nur durch den
ordnenden Eingriff der Zentralregierung in seinem öffentlichen Wirken
zumindest eingeschränkt werden konnte. Irgendwie seltsam, dass der
„Linken“ das immer wieder mit derselben Religion passiert.
haolam
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