Monday, July 08, 2019

Verantwortung für Millionen, Qualifikation für nichts

Politik ist das einzige Amt, das man ohne den Nachweis irgendeiner relevanten Befähigung ausüben kann. Leute, die trotz bester Ausgangsbedingungen am Leben scheitern, können noch immer in der Politik reüssieren und über das Schicksal von Millionen bestimmen.

Demokratie setzt Wähler mit einer gewissen inneren Reife, und ja, etwas Weisheitvoraus, welche aus ihrer Mitte eine Auswahl treffen. Ein kluger Mensch erkennt einen, der klüger ist als er selbst, und er wählt ihn, damit dieser über ihn herrsche. Ein dummer Mensch erkennt Klugheit nicht nur nicht, er fürchtet, bekämpft und verachtet sie – mit dummen Wählern ist keine kluge Regierung möglich.

Nach dem zweiten Weltkrieg haben die Alliierten beschlossen, Deutschland doch noch eine Chance zu geben – trotz Holocaust wollten sie das Land nicht ausradieren und aus der Geschichte tilgen. Teil der neuen Chance war auch das System der von der Militärverwaltung vergebenen Medienlizenzen. Wer eine Zeitung herausgeben wollte, braucht eine Lizenz (siehe»Lizenzzeitung« bei Wikipedia). Im Bereich TV griff man frühere Ideen auf und schuf nach dem Vorbild der BBC eine Familie von Anstalten des öffentlichen Rechts. Eigentlich sollte das öffentlich-rechtliche Fernsehen »staatsfern« sein, eigentlich.

Einerseits ist die praktische Verzahnung mit der Politik frappant – als in seiner Offensichtlichkeit geradezu perverses Beispiel sei nochmal kurz der Fall Malu Dreyer angerissen (Wikipedia-Eintrag zu ihr), welche aktuell gleichzeitigMinisterpräsidentin von Rheinland-Pfalz und Vorsitzende des Verwaltungsrats des ZDF ist (und welche mehr sogenannte »Seenotrettung« fordert, siehe welt.de, 10.5.2019), man könnte aber auch den ARD-Vorsitzenden Ulrich Wilhelm (Wikipedia) erwähnen, der zuvor Merkels Regierungssprecher war, und über die berufliche Zukunft des ehemaligen ZDF-Journalisten und heutigen Regierungssprechers Steffen Seibert (Wikipedia) wird man sich wohl auch wenig Sorgen machen müssen.

Andererseits mögen die Räte und oberen Etagen der Öffentlich-Rechtlichen reich an politischen Kadern und »einfachen« Parteimitgliedern sein (bemerkenswert etwa: Maybritt Illner, SED von 1986 – 1989, in der DDR beim Staatsfernsehen tätig, siehe welt.de, 15.2.2007), doch in den 1970ern setzt ein weiterer Effekt ein. Die sogenannten 1968er wollten den »Marsch durch die Institutionen« – und er gelang. Wer wie ich in Köln aufwuchs und studierte, der kennt diese Menschen, die wie am Geist zusammengebundene Bergsteiger einander in den Apparat hineinziehen (siehe auch: »Darf man über ›Lügen‹ reden?«) – und jeden Abweichler bekämpfen, so wie weiße Blutzellen gefährliche Bakterien bekämpfen.

Dieser »Durchmarsch« geschah nicht nur in den Medien! Schon seit locker ein oder zwei Jahrzehnten gilt: Wenn Deutschland eine Aktie wäre, könnte es passieren, dass Sie nach einem Gespräch mit Lehramtsstudenten, also zukünftigen Lehrern, Ihren Broker anrufen und diesen Posten im Depot liquidieren, ohne Limit nach unten.

Das Ergebnis dieses Durchmarsches in Medien und Schulen ist eine Bevölkerungsmehrheit, die vom abendlichen Fernsehen erzogen wurde, zu »fühlen« statt zu denken, wo Fakten und Konsequenzen als »rechts«, »nazi« und schlicht böse gelten, wo »Wir sind mehr!« als ausreichendes Universal-Argument gilt und besorgt zu sein als böse, wo man Kindern das Wahlrecht anvertrauen will – denn die »fühlen« sogar noch mehr als die Erwachsenen, wo man wie einst die Katholiken neue Marien-Figuren sucht, denn mit jungen Frauen »fühlt« es sich besonders gut. Das Ergebnis des Durchmarsches durch Medien und Schulen ist eine Bevölkerungsmehrheit, die sich in den eigenen Untergang wählt.

Politiker ist einer der wenigen Berufe, in denen keinerlei Qualifikation in der Sache notwendig ist, solange man Strippen zu ziehen und das Volk aufzuwühlen weiß.

https://dushanwegner.com/irre/

No comments: