Sunday, March 12, 2017

Ferndiagnose

Es gibt Zeitungen in Deutschland, deren Macher jede Kontrolle über ihre Ressentiments verloren zu haben scheinen. Besichtigen konnte man das, wie Benjamin Weinthal berichtet, am Freitag am Beispiel zweier Blätter, die die DuMont Mediengruppe [sic!] in Berlin und Hamburg veröffentlicht und die meinten, »die sieben durchgeknalltesten Führer der Welt« vorstellen zu müssen.
Neben Kim Jong Un – »I(rrationalitäts)-Index: 5 – werden da der russische Präsident Wladimir Putin (»I-Index: 4«), Ayatollah Khamemei (»I-Index 3«) oder Rodrigo Duterte vorgestellt, Präsident der Philippinen, den man wohl getrost einen Mörder nennen kann. Liegt sein »I-Index« bei »1«, gehört aber auch Benjamin Netnajahu zu den »Durchgeknalltesten« – mit »I-Index: 2«.
Der israelische Ministerpräsident »weigerte sich«, wie die Hamburger Morgenpost glaubt, »lange, einer Zwei-Staaten-Lösung im Nahost-Konflikt zuzustimmen«, er »treibt israelischen Siedlungsbau voran und provoziert so seine palästinensischen Nachbarn«. Zudem habe er versucht, »Barack Obama zu einem Luftschlag gegen iranische Nuklearanlagen zu drängen – erfolglos«.
Ist die Gleichsetzung eines demokratisch legitimierten Regierungschefs mit Despoten beleidigend, wird es erst recht peinlich, stimmt die Begründung für die Verleihung eines »I-Index: 2« nicht. Schlicht falsch ist es, Benjamin Netanjahu die Ablehnung einer Zwei-Staaten-Lösung nachzusagen: Richtig ist, daß er sie bereits 1993 in seinem Buch A Place Among the Nations propagierte.
Bald dienstältester Ministerpräsident, wurde erst vor wenigen Tagen im Zusammenhang mit der Räumung des Außenpostens Amona berichtet, Benjamin Netanjahus Regierung habe »erstmals seit 25 Jahren« eine neue »Siedlung« genehmigt. Und ob diese Gemeinde eine Zukunft hat, steht noch in den Sternen. Sieht so tatsächlich die Bilanz eines fanatischen »Siedlungs«-Bauers aus?
Und sollte Benjamin Netanjahu schließlich den Vorgänger Donald J. Trumps im Weißen Haus je zu Angriffen auf Ziele in der Islamischen Republik gedrängt haben, wieso scherzten dann Offizielle, der israelische Ministerpräsident sei ein »Angsthase«, der es nicht »wagt, Kriege anzufangen«? Es ist ob dieser journaillistischen Glanzleistung gewiß angemessen, Antisemitismus zu diagnostizieren.
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