Seit Anfang März 2017 häufen sich Gewalttaten in der Öffentlichkeit und
die Presse verlegt sich auf eigene, sehr seltsame Sprachschöpfungen, die
den Raum für Spekulationen weit öffnen. Beginnen wir mit dem Fall, bei
dem die Informationen sogar für mich zu viele waren. In Herne wurde ein
9jähriges Kind ermordet und über den Täter erfuhren wir mehr, als das
sonst üblich ist: Der volle Name „Marcel Hesse“ wurde mitgeteilt und ein
unverpixeltes Bild veröffentlicht. Aus meiner Sicht hätte die Nennung
des Vornamens gereicht und eine knappe Personenbeschreibung. Hierzu gab
es auch keine wilden Spekulationen, da alles klar beschrieben war.
Ganz gegenteilig verlief der Fall in Heidelberg, bei dem ein
Amokfahrer in der Innenstadt einen Bürger mit dem Auto totfuhr, weitere
Passanten verletzte und schließlich niedergeschossen wurde, als er nach
dem Aussteigen aus dem Pkw ein Messer zückte. Hier gab es nur spärliche
Informationen (35jähriger deutscher Student ohne Migrationshintergrund,
psychisch labil). Auch auf vielfache Anfragen aus den sozialen Medien
hin rückte die Polizei bis heute den Vornamen nicht heraus, was den Fall
mysteriös macht und den Verdacht schürt, dass mehr dahinter steckt, was
den Leser verunsichern könnte.
Im März 2017 häuften sich die Gewalttaten mit unvollständigen oder
sogar inzwischen verniedlichenden Angaben. Aus Düsseldorf wurde
gemeldet, dass ein „Teenie“ einem 15jährigen Mädchen die Kehle
durchgeschnitten hatte und dass er schuldunfähig sei. Unter „Teenie“
stelle ich mir ein Kind mit Zahnspange vor und keinen Mörder, der seinem
Opfer die Kehle durchschneidet. Name und Herkunft des Täters bleiben im
Dunkeln. Im Rheinland war es ein „Teenager“ ohne Namen und Hintergrund,
der mit einem Samurai-Schwert einen jungen Syrer lebensgefährlich
massakrierte. Diese Verniedlichung schwerster Gewalttaten wurde vor
einigen Wochen durch den Fußballtrainer C. Streich eingeleitet, der sich
zum Mord an Maria L. durch einen afghanischen Asylbewerber dahingehend
äußerte, dass es sich um einen „Bub“ handele, der etwas „Schlimmes
gemacht habe“. Mit „Bubenstreich“ assoziiere ich allerdings keine Morde,
sondern eher lokale Vorkommnisse wie zum Beispiel auf der
Bodensee-Apfelplantage von Obertheuringen, wo Schüler regelmäßig Äpfel
stahlen zum Verdruss des Besitzers. Auch im März 2017 war aus Österreich
zu lesen, ein „Bub“ habe auf einen Jugendlichen mit dem Messer
eingestochen.
Ich habe Anfang März 2017 innerhalb einer Woche mehr als 20
öffentliche Gewalttaten gezählt mit Axt, Messer oder Machete. Außer bei
Marcel H. aus Herne bekam ich wenig bis keine Informationen über den
Hintergrund dieser Taten. Das beunruhigt mich, da der IS immer wieder zu
genau solchen Taten (Angriffe auf die Bevölkerung mit Axt, Messer und
Autos) aufgerufen hat und ich einfach wissen will, ob diese Serie an
Gewalttaten damit zu tun hat oder eben nicht. In den Leitmedien finde
ich dazu leider gar nichts. Inzwischen habe ich jedoch gelernt, zwischen
den Zeilen zu lesen, und zeige das an einigen Beispielen auf:
Düsseldorf (März 2017): Der Täter, der auf dem
Hauptbahnhof Menschen mit der Axt angriff, wurde als „36jähriger
Wuppertaler aus dem ehemaligen Jugoslawien“ bezeichnet, der psychisch
krank sei. Auffällig ist die schnelle Diagnose der Krankheit als
Tatgrund und vor allem, dass er aus einem Land stammt, welches es seit
vielen Jahren nicht mehr gibt. Den Vornamen nannte man dem Leser auch
nicht. Ich vermutete, dass der Vorname Hinweise auf die Religion geben
könnte und die Nennung der Republik Jugoslawiens diesen Hinweis erhärten
würde. Nach einiger Zeit kam denn auch heraus, dass er als abgelehnter
und geduldeter muslimischer Asylbewerber aus dem Kosovo stammt und
Fatmir heißt.
Konstanz (März 2017): „Ein Deutscher hat einen
19jährigen Schweizer bei einer Streiterei vor einer Shisha-Bar
erstochen“, war in dürren Worten in lokalen Blättern am Bodensee zu
lesen. Der Fall erregte wenig Aufsehen, obwohl es nach meiner Kenntnis
der erste Fall am Bodensee war. Misstrauisch machte das Fehlen der
Vornamen von Opfer/Täter und jeglichen Hintergrundes. Hier half ein
Blick in die Schweizer Medien, die auskunftsfreudiger vermittelten, dass
der Tote ein in der Schweiz lebender Kosovare und der Tatverdächtige
ein in Deutschland lebender Syrer namens Omar H. sei. Das hörte sich
ganz anders an als „Deutscher ersticht Schweizer“.
Massenschlägerei von Jugendlichen und Einheimischen in Hanau und Gelnhausen (März 2017):
Laut Medien kam es zu mehreren Massenschlägereien, zu denen die
Beteiligten teilweise extra anreisten und bei denen bis zu 150 junge
Männer beteiligt waren (!). Hier wirkt der Begriff „Einheimische“
irreführend. Treffen sich deutsche Jugendliche nach der Schule wirklich
zu Massenschlägereien und das wiederholt? Einige Zeit später berichtete
die FAZ, dass es sich um türkische Jugendgruppen und
afghanische Asylbewerber handelte, einen Peter oder Hans gab es weder in
der einen noch in der anderen Gruppe.
Ich liste im folgenden (unvollständig) mir bekannte Gewalttaten allein im März 2017 auf: in Düsseldorf (Machetengriff auf Rentner, 15jähriger Kehle durchgeschnitten, Axtattacke am Hauptbahnhof, Messermord nach Streitigkeit), Osnabrück (Ermordeter im Fluss), Ahlen, Essen, Wiesbaden, Gütersloh (jeweils Messerangriffe), Minden und Bonn (Leichen von Ermordenen auf offener Straße gefunden), Freiburg (Ehefrau mit Hammer erschlagen), Weimar (Messermord auf offener Straße). Eschborn (Passanten niedergestochen), Frankenthal (Messerangriff auf Passanten), Kiel (Ehefrau vor der Schule mit Messer ermordet), Dortmund (Jugendliche stürmen Schule und verletzten Schüler mit Messer), Friedrichshafen (Messerangriff und Schusswechsel unter Asylbewerbern), Hessen
(Massenschlägereien mit bis zu 150 Jugendlichen). In allen diesen
Fällen gibt es zu Tätern und Opfern nur dürftigste Beschreibungen, ein
möglicher Hintergrund wird in wenigen der Fälle genannt. In der Politik
findet diese Serie kaum Beachtung, in den allgegenwärtigen Talkshows
wird das Thema nicht diskutiert.
https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/die-neue-kunst-zwischen-den-zeilen-lesen/
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