Tuesday, March 20, 2018

Gesehen, gelesen, gehört, verpasst: Die Auferstehung der Urhorde

Lieber, als dass sie sich eine eigene Meinung bilden, schwimmen die amerikanischen Studenten im Mainstream. Laut einer repräsentativen Umfrage der Gallup Organization sehnen sich 53 Prozent nach Geborgenheit in einer gleichgeschalteten Masse. Das demokratische Grundrecht der Meinungsfreiheit ist ihnen schnuppe. 37 Prozent der Befragten fanden es sogar richtig, diejenigen, die geistig ausscheren, nicht länger zu Wort kommen zu lassen, ihre Auftritte mit Tumult zu übertönen. Wer sich der Mehrheit nicht beugt, wird als Hassprediger und Rassist ausgeschlossen. Punktum! Der moralische Hochmut der Masse macht dem Erbe der Aufklärung, dem freiheitlichen Denken eines jeden, den Garaus. Dass Europa, insbesondere Deutschland, dieser Entwicklung keineswegs nachhinkt, erleben wir tagtäglich in der feindseligen Auseinandersetzung mit den „Rechten“, aktuell in den verbalen Wutausbrüchen, die Uwe Tellkamp über sich ergehen lassen muss, seit er sich dazu verstieg, Zweifel an der staatlich verfügten „Willkommenskultur“ zu äußern. Die FAZ konstatierte bereits den „Fall Tellkamp“. Der feinsinnige Lyriker Durs Grünbein nannte die andere Meinung „einen Scheiß“. SPIEGEL ONLINE zieh den „konservativen“ Sachsen der „Unerbittlichkeit“ und so weiter und so fort. Kübel verbalen Unflats ergossen sich über den Autor, bis er sich gezwungen sah, eine geplante Lesereise abzusagen. Zynisch folgte der Vorwurf der Zimperlichkeit. Schließlich hatte der Mann doch sagen können, was er wollte. Das konnten freilich auch andere in früheren Zeiten, bevor sie es dann nicht mehr wagten, den Mund aufzumachen. Was die Gallup-Studie beispielhaft für Amerika aufzeigt, ist keine transatlantische, sondern die der westlichen Zivilisation drohende Gefahr des Rückfalls in vor-aufklärerische Zustände; die Auferstehung der „Urhorde“, wie sie Sigmund Freud einst analysierte: „Der Schwund der bewussten Einzelpersönlichkeit, die Orientierung von Gedanken und Gefühlen nach gleichen Richtungen … die Regression zu einer primitiven Seelentätigkeit“. Mit anderen Worten: die Preisgabe der Individualität in einer intellektuell ermüdeten, geistig überforderten und im Konsumrausch degenerierten Gesellschaft.
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