Friday, August 05, 2016

Asyl-Aufstand in Seelisberg UR: Ein Bergdorf rastet aus

Das hat man so noch nicht gesehen: Die Bewohner von Seelisberg UR torpedierten gestern einen kantonalen Info-Anlass über ein neues Asylheim, das im September aufgehen soll. Sie beschimpften ihre Regierungsrätin Barbara Bär derart heftig, dass man die Veranstaltung nach wenigen Minuten abbrach. Zum Eklat kam es, weil der Kanton bis zu 60 Flüchtlinge mitten im Dorfkern einquartieren will (BLICK berichtete). Der Standort, das ehemalige Hotel Löwen, grenzt an die Schule, Gastro-Betriebe und die Bergbahn. Von diesen Asyl-Plänen weiss die Bevölkerung erst seit wenigen Tagen. «Frau Bär, sie verletzen unsere Würde», sagte Einwohnerin Irene Zwyssig gleich zu Beginn. Und: «Ich bedaure, dass die Regierungsrätin, Frau Bär, nicht mehr Empathie aufbringen und anscheinend nicht gelernt hat, sensibel und behutsam mit uns Einheimischen umzugehen.» Andere bezeichneten die Gesundheitsdirektorin sogar als fiese Intrigantin. Mehrmals versuchte Polizeikommandant Reto Habermacher die Menge zu beruhigen – ohne Erfolg. Die Voten wurden lauter und aggressiver. Die Stimme der einheimischen Andrea Ziegler zitterte, als sie das Wort ergriff: «Wer schützt unsere Töchter. Sie Frau Bär?», fragte die Mutter. Eine zweite Bürgerin stand daraufhin auf, trat zum Rednerpult und spielte theatralisch einen Asylanten, der es auf Schulkinder abgesehen hat: Sie verschränkte die Arme, spreizte die Beine und sagte: «Hey Baby!» Zeitgleich wollte Regierungsrätin Bär immer wieder das Wort ergreifen. Doch jeder ihrer Versuche, doch noch etwas über das geplante Sicherheits- und Betreuungskonzept zu sagen, scheiterte kläglich. Auch ein Schulrat war nach wenigen Minuten mit den Nerven am Ende. Er sagte lauthals, «dass er vom Asylheim nichts mehr hören will.» Seinem Appell verlieh er Nachdruck, indem er sich die Ohren zuhielt. Immer mehr der 500 anwesenden Seelisberger verliessen den Saal. Einige aus Prostest, anderen war der groteske Anlass wohl schlicht zu dumm. Gegen Ende sprang Landrat Oswald Ziegler sogar noch zum Rednerpult und lieferte sich ein wildes Wortgefecht mit der Regierungsrätin. Die beiden debattierten über ihr Verständnis von Demokratie. Nachdem alle der erbosten Anwohner den Saal verlassen hatten, brauchte Regierungsrätin Bär einige Minuten um sich zu sammeln: «Dass es heftig wird, war mir klar», sagte sie zu BLICK. «Trotzdem habe ich mehr Anstand erwartet. 60 Asylsuchende sind das maximal mögliche. Es könnten auch deutlich weniger sein.» Eine genaue Zahl sei schwer abzuschätzen. Dennoch: Für sie steht der Entscheid fest. «Im September nehmen wir das Asylheim im Hotel Löwen im Betrieb.» Trotz des missglückten Starts will sie mit der Bevölkerung möglichst rasch wieder das Gespräch suchen.
 blick.ch

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