Es gibt tatsächlich Menschen, die Deutschland wieder verlassen
müssen. Zum Beispiel dann, wenn ihr Arbeitsvertrag oder ihr
Touristenvisum ausläuft. Und es soll sogar Fälle geben, in denen ein
Asylantrag abgelehnt wurde, womöglich sogar aus Gründen! So ging es auch
einem Migranten aus Eritrea, der über Italien nach Europa kam, dann
aber lieber nach Deutschland weiterreiste. Seiner Ausweisung entging er,
weil er in der evangelischen Gemeinde Flintbek in Schleswig-Holstein Kirchenasyl erhielt.
Doch irgendwie war den Eltern der Kindergartenkinder nicht wohl
dabei, dass der Pfarrer diesen Kirchenasylanten kurzerhand im Keller der
Kita unterbrachte.
„Niemand – auch kein Pastor – kann uns garantieren, dass es bei
einem womöglich traumatisierten Flüchtling, der sich wochenlang in einem
Kellerraum ohne Tageslicht aufhält, nicht zu einer Kurzschlussreaktion
kommen kann“, wird eine Mutter zitiert.
Den Pastor jedoch ficht solch kleinliches Sicherheitsdenken nicht an.
Kurzschlussreaktionen? Wer hätte je von sowas gehört, wird er wohl
gedacht haben. Deshalb machte er der verstörten Gemeinde klar, dass es
sich hier um einen Fall übergeordnetes Interesse handelt:
„Wer die Haltung der Ev. Kirchengemeinde Flintbek in dieser Frage
[des Kirchenasyls] für falsch hält, dem mag eine Abmeldung des Kindes
aus unserer Kita ein notwendiger Schritt erscheinen, den wir bedauern“,
[..] Die Gemeinde werde es allerdings nicht akzeptieren, „dass die
schwächsten Glieder unserer Gesellschaft als potenzielle Gefährder oder
Terroristen öffentlich verunglimpft werden.“
Ich denke, in dieser rotzigen Antwort des Pfarrers sind einige
entlarvende Gedanken enthalten. „Wem’s hier nicht passt, der soll halt
gehen“ klingt zwar reichlich unverschämt für einen Pfarrer und offenbart
einen erheblichen Mangel an Empathie gegenüber den Mitgliedern der
eigenen Gemeinde, die ja nicht nur „seine Nächsten“, sondern auch seine
Schäflein sind. Über die charakterlichen Eigenschaften ihres Hirten mag
sich jedoch dessen Gemeinde streiten. Aber ich ging bisher immer davon
aus, dass „die schwächsten Glieder unserer Gesellschaft“ unmöglich
asylsuchende Flüchtlinge sein können, sondern ausgerechnet die Kinder,
deren Schutzbedürftigkeit der feine Herr Pfarrer ohne Zögern der seiner
egoistischen Helferattitüde opfert. Ein Opfer, das ihn zudem nichts
kostet. Die Schutzbedürftigkeit eines gewiss nur potenziellen Gefährders
wird von ihm höherwertig eingeschätzt, als die der Kinder seiner
Gemeinde. Dabei frage ich mich schon, ob die Daseinsberechtigung einer
Kita eher in der Betreuung von Kindern oder der Unterbringung von
Flüchtlingen liegt. Aber was weiß ich schon! Offensichtlich gilt es
heute nicht nur für den Staat als obsolet, Verständnis und Solidarität
bei seinen Bürgern einzufordern. Zu gefährlich, die Leute könnten „nein“
sagen. Also wir diese Solidarität kurzerhand requiriert und wem das
nicht schmeckt, der darf sich als Feind der Gesellschaft beschimpfen
lassen. Ich nenne dies moralische Erpressung!
Und noch etwas finde ich befremdlich. Wieviel Arroganz steckt in der
Idee, ein Mensch könne in einem Kellerloch ohne Tageslicht besser
aufgehoben sein als in seiner Heimat oder dem Land, in dem er eigentlich
hätte Asyl beantragen müssen, in diesem Fall Italien? Sich solches als
gute Tat anzuheften, ist allerfeinster Narzissmus.
Der Keller ist nun leer, denn der Zweck der Scharade ist erfüllt. Da
der Eritreer nun über sechs Monate in Deutschland weilt, kann er nicht
wie ursprünglich vorgesehen nach Italien abgeschoben werden, wo er
zunächst um Asyl nachgesucht hatte. Grund: die Überstellfrist ist nun
abgelaufen! Und so hat ein evangelischer Pfarrer aus einer Aufgabe des
Staates Eritrea, die dann ein Problem des Staates Italien war, erst
eines der Kinder seiner Gemeinde gemacht, um es schlussendlich und
erfolgreich zum Problem Deutschlands zu machen.
http://unbesorgt.de/die-uebernaechstenliebe-eines-problemverschiebers/
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