Saturday, April 22, 2006

Christenverfolgungen:Ein Pater zensiert die ARD

Von Ulrich W. Sahm, Bethlehem

Der Redaktionsleiter des SWR, Uwe Bork, hat in der Neuen Zürcher Zeitung (7. April) die Absetzung eines Filmbeitrags von Uri Schneider zum Thema "Terror gegen Christen" erklärt. Am Freitag von dem Sendetermin, dem 12. März, erhielt er Anrufe eines "deutschen Jesuitenpaters" und von Christen aus Bethlehem. Die fürchteten um ihr Leben, falls ihre Interviews gezeigt würden.

Der von Bork erwähnte "Jesuitenpater" ist in Bethlehem wohlbekannt. Selbst der von der Hamas ernannte Tourismusminister, Tanas Abu Aita, erwähnte immer wieder "Pater Rainer". Abu Aita hat inzwischen sein Amt verweigert, weil ihm deutsche Partner gedroht haben, keine Gruppen mehr in sein Paradise-Hotel zu schicken, falls er Minister der Hamas-Regierung werden sollte.

Es handelt sich um Pater Rainer Fielenbach. Im Gespräch mit diesem Korrespondenten gestand er offen, sich beim SWR für eine Absetzung des Films engagiert zu haben. Fielenbach sagte, dass er nur die "reißerische" Ankündigung des Films gesehen habe. Daraus habe er geschlossen, dass der Film einen "Keil zwischen Moslems und Christen" treiben könnte. Das sei aber zu diesem Zeitpunkt "falsch". Der Film sollte auf den "Höhepunkt der Auseinandersetzungen um die Mohammad-Karikaturen" ausgestrahlt werden und hätte "weiteres Öl ins Feuer gegossen".

Der deutsche Pater wandte sich in dem halbstündigen Gespräch gegen eine "Pauschalisierung" der Moslems. Überfälle auf Christen in Bethlehem könnten einfache "kriminelle Vergehen" sein und sollten nicht als Christenverfolgung ausgelegt werden. Der Pater erklärte, dass eine Ausstrahlung des Films "christliche Pilger aus Europa einschüchtern könnten, Bethlehem zu besuchen". Er selber wisse nichts von muslimischen Christenverfolgungen oder Vorfällen, die so ausgelegt werden könnten. "Ich glaube die erst, wenn mir entsprechende Protokolle der Polizei vorliegen", sagte er. Diese Forderung ist freilich absurd, zumal christliche Gewährsleute von einer Beteiligung der (muslimischen) Polizei an Christenverfolgungen erzählen. So sei nach der Beschlagnahme eines christlichen Hauses durch die Polizei eine Abbildung des St. Georg über der Tür abgeschlagen worden. Nach Autounfällen seien Christen ins Gefängnis gesteckt worden, obgleich einwandfrei ein Moslem den Unfall verschuldet hatte. Morde seien nie aufgeklärt worden, wenn Christen die Opfer waren, obgleich die Mörder bekannt waren. Nachweisen lässt sich nichts, weil die Behörden nicht kooperieren.

Nach der Verlesung seiner vorformulierten Friedensbotschaft zum christlichen Osterfest und dem jüdischen Passahfest, bestätigte der lateinische Patriarch in Jerusalem, Michel Sabbah, dass auch er an der Absetzung eines Dokumentarfilms über die Lage der Christen in Bethlehem mitgewirkt habe. "Was heißt hier eine Kampagne gegen die Veröffentlichung von Christenverfolgungen in Bethlehem?" fragte der Patriarch. "Wir sind gegen Kampagnen gegen Moslems, denen Christenverfolgungen unterstellt werden", beantwortete er seine rhetorische Frage. Der Hauptgrund für Probleme der Christen sei der Mangel an (staatlicher) Autorität in den Palästinensergebieten. "Schuld daran sind die Israelis, denn sie bieten nur ihren eigenen Menschen Schutz, nicht aber anderen." Deshalb gebe es Gruppen in der palästinensischen Gesellschaft, "die das Gesetz in die Hand nehmen. Moslems unterdrücken Moslems und Christen." Der Patriarch forderte deshalb "Soldaten und Waffen für die Palästinenser, damit sie die Ordnung wieder herstellen können." Es sei der Wunsch der internationalen Gemeinschaft, dass die palästinensische Autonomieregierung "eine wirksame Herrschaft über die palästinensische Gesellschaft haben sollte", so der Patriarch. Dabei müsse beachtet werden, dass die Hamas vom Volk gewählt worden sei. Der Patriarch erklärte sich gegen einen Boykott des palästinensischen Volkes wegen der Wahl der Hamas. "Das kann niemand akzeptieren, der für Menschenrechte spricht."

Bei Treffen mit Christen wird eisernes Stillschweigen bewahrt, wenn Andere dabei sind. Nur im Einzelgespräch und wenn Vertrauen besteht, öffnen sich die verängstigten Christen und erzählen Horrorgeschichten, mit der ausdrücklichen Bitte, sie nicht namentlich zu zitieren.

Pater Rainer hat mehrere Personen in Bethlehem angerufen und gefragt: "Wißt ihr etwas über Christenverfolgungen?" Als die das verneinten, forderte er sie auf, sich an den SWR zu wenden und eine Absetzung des Films zu fordern. Eine dieser Personen sagte in einem christlichen Ort bei Bethlehem: "Ich habe mich geweigert, den Sender anzurufen."

Anlass für die ARD-Reportage war ein Report von Samir Qumsieh, dem griechisch-orthodoxen Inhaber des christlichen TV-Senders "Die Krippe". Der hat angeblich 140 Fälle von Christenverfolgung dokumentiert, darunter Morde, Vergewaltigungen und Landraub. Dieser Report liegt dem Custos der Franziskaner, Pierrebattista Pizzaballa, dem ehemaligen Nuntius im Heiligen Land, Pietro Sambi, und anderen Kirchenführern vor. Doch aus Furcht, dass "eine Veröffentlichung des Reports eine Rache der Moslems gegen Christen auslösen könnte", so der Nuntius Sambi gegenüber diesem Korrespondenten, weigerten sich die Kirchenführer, den Report an Journalisten weiterzureichen, um die Angaben zu überprüfen. Auch Uri Schneider von der ARD hat den Report nicht selber gesehen, wohl aber betroffene Christen befragt.

Uwe Bork warnt in seinem Artikel: "Wenn aufklärender Journalismus mehr und mehr von außen gelähmt zu werden droht, weil die Informationsquellen versiegen, kommt eine gefährliche Entwicklung in Gang. Dass wir als Redaktoren und Reporter unsere Informanten schützen, ist nicht mehr als recht und billig. Dass dieser Schutz so wichtig geworden ist, ist das eigentliche Problem."

Recherchen haben ergeben, dass nicht Christen aus Bethlehem federführend für die Absetzung des Films waren, sondern der deutsche Pater Rainer, der wirtschaftliche und politische Interessen in den Vordergrund stellt: eine Fortsetzung der Pilgerströme und möglichst keinen Keil zwischen Moslems und Christen treiben. Den Film hat er nicht gesehen, sondern nur die Vorankündigung. Er konnte auch nicht sagen, ob tatsächlich die Informanten gefährdet wären. Gegen Ende des Gesprächs gestand er: "Falls es eines Tages keine Christen mehr in Palästina gibt, weil alle geflohen sind, machen auch die Pilgerbesuche keinen Sinn mehr."

www.hagalil.com

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