Der heimliche Orientalismus Deutschlands,durchleuchtet von Fred Alan Medforth
Friday, April 07, 2006
Die Fußball-Uno
Joseph Blatter
Jérôme Champagne
Der Weltfußballverband FIFA ist eine wahrhaft honorige Veranstaltung. Zwar bisweilen ein wenig schwerfällig, aber mit, sagen wir, klaren Hierarchien und einer Erhabenheit über das politische Weltgeschehen. Es kommt ja häufiger vor, dass der Fußball zum Politikum wird, aber das sitzt man in Zürich stets aus: Chile 1974, Argentinien 1978, um nur zwei Beispiele zu nennen, und aktuell der Iran – man betreibt allzeit business as usual, und wenn alles in Scherben fällt. Ausschluss des Iran von der Weltmeisterschaft in Deutschland? Kommt gar nicht in Frage: „Das ist für mich undenkbar. Wir würden nie auf Grund irgendwelcher politischer Aussagen einen Verband ausladen”, stellte Verbandspräsident Joseph Blatter (Foto) erst kürzlich noch einmal klar; seine Organisation sei „in politischen und religiösen Fragen absolut neutral”.Doch was da so distanziert scheint, entpuppt sich bei näherem Hinsehen immer wieder als Nähe zu reaktionärsten Regimes. Ob man nun Chile unter Pinochet – als dort Abertausende von Menschen in Fußballstadien gefangen gehalten, gefoltert und ermordet wurden – an der letzten Weltmeisterschaft, die in Deutschland stattfand, teilnehmen ließ; ob man dem Argentinien der Junta und des Generals Videla die Ausrichtung der Weltmeisterschaft nicht entzog, obwohl das Begehren des Diktators und seiner Schergen nach einer Bühne offensichtlicher nicht hätte sein können, oder ob man die Taliban beschweigt, als diese Stadien zu Hinrichtungsstätten machten – es gab zwar Kritik, doch der Weltfußballverband blieb fortwährend stur und insistierte auf eine Trennung zwischen Sport und Politik, die er selbst nicht leisten mochte. Eine Disqualifikation des iranischen Teams steht dementsprechend auch nicht zur Debatte, geschehe, was dort wolle, und selbst der angekündigte Besuch des Mahmud Ahmadinedjad während der WM wird – wie für die Bundesregierung – kein Problem darstellen. Wenn es jedoch nicht gar so weit von Teheran entfernt einmal knallt, gibt man die vermeintliche Äquidistanz schon mal auf, wie Spirit of Entebbe, die Jerusalem Post zitierend, berichtet:
„Der Weltfußballverband FIFA hat gegenüber der israelischen Regierung Beschwerde eingelegt, nachdem die IDF das größte Fußballstadion im Gazastreifen mit Artilleriefeuer unter Beschuss genommen hatte. Die FIFA teilte mit, sie erwäge Maßnahmen wegen des Luftschlags.“
Glücklicherweise verfügt Blatters Verein nicht über eine eigene Luftwaffe, sonst würde er es unter einem Flächenbombardement wohl nicht machen. Dabei kam der israelische Angriff auf das leere Stadion durchaus nicht grundlos:
„Die Granaten, die, wie offenbar einen großen Krater in der Mitte des Feldes hinterlassen haben, wurden am frühen Freitagmorgen [letzter Woche] abgefeuert – als Antwort auf Angriffe mit Kassam-Raketen am Vortag. Bei diesen Angriffen war eine Rakete auf einem Fußballplatz im Kibbuz Karmiya, südlich von Ashkelon, gelandet.“
Die IDF machte aus nachvollziehbaren Gründen keinen Hehl daraus, dass sie das Stadion als Angriffsziel ausgewählt hatte, „um eine deutliche Botschaft gegen den Terrorismus an die palästinensischen Menschen zu senden. Der Terrorismus kommt aus ihrer Mitte, und sie müssen wissen, dass sie diejenigen sind, die leiden“. Der Beschuss der Sportstätte erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die palästinensische Fußball-Nationalmannschaft am Asian Football Confederation (AFC) Challenge Cup in Bangladesch teilnahm. Zu Schaden durch das Artilleriefeuer kam niemand. Doch den voran gegangenen palästinensischen Angriff mit Kassam-Raketen wollte der FIFA-Vertreter für besondere Aufgaben mit dem wundervollen Namen Jérôme Champagne (Foto) nicht als Grund gelten lassen. Im Gegenteil schickte er ein offizielles Schreiben an den israelischen Botschafter in der Schweiz – wo der Verband seinen Hauptsitz hat –, Aviv Shiron, und bat ihn darum, „zu erläutern, warum das Stadion beschossen wurde, bevor die FIFA darüber entscheiden konnte, welche Maßnahmen, wenn überhaupt, zu ergreifen sind“.Sport und Politik sollen zwar nichts miteinander zu tun haben, aber man wird ja wohl noch erwarten können, dass die israelische Regierung mal beim Blattersepp und seiner Truppe durchklingelt, bevor sie die offenbar lässliche Zerstörung einer ihrer Sporteinrichtungen adäquat erwidern darf. Schließlich ist die FIFA so eine Art Fußball-Uno und eifert ihrem politischen Vorbild in jeder Hinsicht nach. Dazu gehören ein stramm antiisraelischer Kurs – nicht erst seit gestern – und damit verbunden die entsprechenden moralinsauren Belehrungen:
„Ein Fußballstadion zu beschießen, ist absolut kontraproduktiv für den Frieden, denn heute ist Fußball das einzige universelle Werkzeug, das Gräben überbrücken kann.“
Sie wollen doch bloß spielen, weshalb der ehemalige stellvertretende FIFA-Generalsekretär Champagne sich darüber hinaus noch mitzuteilen beeilte, dass die israelischen Grenzübergänge es den Palästinensern seit 2000 verunmöglicht hätten, ihre eigene Liga aufzubauen, und sich weigerte, den Kassam-Angriff auf Karmiya zu verurteilen. Stattdessen tat er kund:
„Der Gazastreifen ist seit 1967 besetzt. Frankreich wurde von Deutschland drei Mal in den letzten hundert Jahren besetzt. Meinen Sie, wir hätten nach sechs Monaten einfach Frieden schießen können? Kein Teil von Israel ist von Palästinensern besetzt. Es ist falsch, ein Volk zu besetzen.“
So kann man eine Gleichsetzung Israels mit Nazideutschland auch zum Ausdruck bringen und einmal mehr demonstrieren, was man unter absoluter Neutralität versteht. Spirit of Entebbe überschrieb seinen Bericht über diesen Vorfall in Anspielung auf die die Shoa verharmlosende Tierrechtsorganisation PETA denn auch mit „People for the Ethical Treatment of Soccer Stadiums” und traf mit seinem Resümee mitten ins Schwarze:
„Was PETA für Tiere ist, wird die FIFA nun wahrscheinlich für Fußballstadien werden.“
Übersetzung der Passagen aus der Jerusalem Post: Liza
LIZAS WELT
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