Sunday, May 04, 2014

Odessa oder: Wie Deutschland seine Probleme exportiert

von Gerrit Liskow
Nach den schockierenden Ereignissen in Odessa am Freitag bemühen sich die Spitzen der USA und EU um eindeutige Schuldzuweisung. Bei ihrem Besuch in Washington fordert die deutsche Bundeskanzlerin Moskau unzweideutig auf, die Situation zu „deeskalieren“, während ihr US-Kollege als Reaktion auf die Lage in der Ukraine „neue Sanktionen“ ankündigt.
Aber was ist in Odessa geschehen? Nun, der deutsche Staatsfunk und die halbamtliche Hofberichterstattung in den sogenannten Medien versuchen ein unklares Bild der Lage zu produzieren, sofern sie diese nicht von vornherein ignorieren.
Wer sich mehr für den empirischen Befund als für politische Gefälligkeiten interessiert, kann folgendes Muster erkennen: In Odessa hatte sich eine „Republik Odessa“ ernannt und diese hatte, nach dem Vorbild der Euro-Maidan Proteste in Kiev, ein paar Zelte auf einem öffentlichen Platz aufgestellt. Als sich am Freitagvormittag die ersten „Aktivisten“ des Kiever Regimes dort einfanden, kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.
Videoaufnahmen zeigen, wie pro-Kiever Kräfte mit Holzbrettern auf pro-russische Demonstranten losgehen, auf sie einprügeln und sodann deren Zelte anzünden. Nachdem die pro-russischen Gruppen sich ins Gewerkschaftsgebäude flüchten und dort verschanzen, werfen die regimetreuen Kräfte ungehindert Brandsätze hinein, so dass im Gebäude ein Feuer ausbricht.
http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/ukraine/10805661/Ukraine-crisis-deadly-clashes-in-Odessa.html
All dies geschieht ohne sichtbare Präsenz von ukrainischen Sicherheitskräften. Auch die Feuerwehr wird offenbar erst gerufen, als das Gebäude bereits lichterloh brennt und Menschen auf den Fensterbrettern in den oberen Stockwerken stehen um sich durch einen Sprung ins Freie zu retten.
Die Aktivisten des Kiever Regimes versuchen derweil, ihnen genau das unmöglich zu machen, indem sie vom Boden aus Eisenteile gegen die Verzweifelten richten. Zeitgleich bringen sie ihre Vernichtungs-Wünsche bei Twitter wie folgt auf den Punkt: „Die roten Käfer von Odessa werden geröstet“.
Rote Käfer ist der entmenschende „Spitzname“, den die Euro-Maidanisten den pro-russischen Separatisten anhängen. Augenzeugen behaupten anschließend, wer dennoch aus dem Fenster sprang, wurde von ultra-nationalistischen Kiever „Fußballfans“, also „Aktivisten“ aus dem Umfeld der Svoboda-Partei, zu Tode getreten, als er schon am Boden lag.
Der pro-Kiever Lynch-Mob, der in Odessa handgreiflich wurde, hat sich eine vollumfängliche Selbstauskunft erteilt: Er hat mindestens 31 Menschen in gemeinschaftlicher Tat ums Leben gebracht und weitere 40 Personen zum Teil schwer verletzt.
Die Relation von Toten zu Verletzten (annähernd eins-zu-eins) sollte die Frage aufwerfen, ob das Verhalten der örtlichen Sicherheits- und Rettungskräfte völlig angemessen war – und wenn ja, welchen Zwecken.
Zu sehen ist auf Videos ferner, wie pro-Kiever Aktivisten versuchen, jene Brände, die soeben gelöscht wurden, wieder anzufachen, während ihnen bereits klar sein muss, dass sie sich gerade an einem Massenmord beteiligen; eine Situation, die regime-treue Behörden womöglich billigend in Kauf nehmen.
O-Ton eines lokalen Polizisten: „Wir können nichts gegen sie machen. Sie sind schließlich nicht bewaffnet.“
Dachlatten und Brandbeschleuniger zählen für das Kiever Regime und dessen Filiale in Odessa offenbar nicht zu Waffen, sondern zu jenen Formen „zivilgesellschaftlichen“ Protestes, die auch die EU im Ausland gerne empfiehlt, solange es in ihrem eigenen Interesse zu sein scheint. In der Nähe ihrer Brüsseler Dependance hingegen ist derlei „Zivilgesellschaft“ bekanntlich eher unerwünscht.
Das ist die „Politik“, vor der sich Herr Obama und die EU, die beiden unverbesserlichen „Friedens“-Nobelpreisträger der sogenannten westlichen Welt, inzwischen nicht nur rhetorisch, sondern vor allem militärisch schützend aufbauen, denn die Truppenverlegungen an die Außengrenzen der Ukraine gehen ungehindert weiter.
In schnödester Regelmäßigkeit wird Moskau zur Deeskalation aufgerufen, als wären nicht die pro-Kiever, sondern die pro-russischen Demonstranten für das, was ihnen in Odessa geschehen ist, ursächlich verantwortlich – als wären die mindestens 31 Toten „selbst schuld“, dass sie bei lebendigem Leib verbrannt wurden.
Ganz besonders typisch: Die Äußerungen des schwedischen Außenminister Carl Bildt. Der twitterte nämlich, die pro-russischen Demonstranten wären „gewalttätig“ geworden, hätten also selbst angefangen. So ist das wohl, wenn man den ganzen Kopf voller Knäckebrot hat und Presseklärungen mithilfe einer Aufbauanleitung von IKEA formuliert.
http://rt.com/news/156480-odessa-fire-protesters-dead/
Es stellt sich an dieser Stelle nebenbei auch die Frage, ob es den deutschen „Staatsbürgern in Uniform“ zuzumuten sein wird, ein Regime gegebenenfalls auch unter Einsatz ihres Lebens zu schützen, das erwiesenermaßen auf einer politischen Allianz mit neo-faschistischen Kräften basiert (Stichwort: Svoboda-Partei).
Oder ist es grundsätzlich wünschenswert, dass Frau von der Leyen sich auf „ihre“ Truppe auch dann verlassen könnte, wenn ihre Partei, die CDU, mal zusammen mit einer neo-faschistischen „Bürgerbewegung“ in Brüssel oder Berlin regieren will?
Die Frage stellt sich nicht ohne Not: Bedient der sogenannte Westen, also die US-Regierung und die von Berlin geführte EU, sich eines randalierenden Rent-a-Mobs um „Politik“ durchzusetzen? Sollen mit der Krawallmethode in Odessa und deren Salonvariante in Kiev die Verhältnisse unter der Maske zivilgesellschaftlichen Engagements solange zum Tanzen gebracht werden, bis eine militärische Intervention „legitim“ erscheint?
Soll hier durch die fortgesetzte Destabilisierung eines ganzen Landes der Vorwand für eine militärische Intervention nach dem Muster bestimmter lateinamerikanischer Bananenrepubliken geschaffen werden? Und das bisweilen noch mangels eigener Stoßtruppen vor Ort, die erst noch an den ukrainischen Außengrenzen zusammengezogen werden „um Litauen zu beschützen“? Wer soll das glauben?
Immerhin hat Germany, und mit ihm die EU, dringenden Handlungsbedarf um die seit fast einer Generation anhaltenden Versäumnisse in der Energie-Politik endlich aufzuholen. Versäumnisse, die sich durch jene „Energiewende“ deutlich zugespitzt haben, die nun doch etwas teurer wurde, als die „eine Kugel Eis“, von der bei den deutschen „Grünen“ neunmalklug die Rede ist.
So eine ganze Ukraine, also ein großes Land mit wenigen Leuten drauf, kann einem ganz gelegen kommen, nicht wahr, liebe deutsche Industrie, liebe Bundesregierung? Wird dann gefrackt, bis die Schwarte kracht? Immerhin gibt es in der Ukraine kein Pendant zu jener deutschen „Bürger“- bzw. „Graswurzelbewegung“, die allem und jedem nach der Existenz trachtet, das nicht mindestens genauso „ökologisch“ ist, wie sie. Bequem, oder?
Krautige Aktivisten, die soziale Vernunft in der Energiepolitik durch „Protest“ und „Widerstand“ ersetzen, und das mit Vorliebe auf Kosten von Leuten, die sich nicht dagegen wehren können, gibt’s in der Ukraine kaum. In Deutschland hingegen lassen die beamteten „grünen“ Hofschranzen die Rentner und Sozialhilfeempfänger für ihren „Ökostrom“ bluten - unter Ausnutzung von Ängsten und Desinformation. Und der Mainstream findet das nicht logisch, sondern ökologisch.
Doch zurück auf die praktische Ebene der Energiepolitik: Die US-Regierung hat durch den zügigen Ausbau des Frackings deutliche Überkapazitäten beim Erdgas verursacht und wird nun versuchen müssen, mit diesem Erbe nicht nur ihren chronischen Staatsbankrott abzuwenden, sondern auch ihre darbende Wirtschaft anzukurbeln und womöglich ihre Außenhandelsbilanz zu sanieren, z.B. durch Technologieexport.
Eine Verteuerung des Gaspreises in der EU (Verunsicherung der Märkte hinsichtlich der Versorgungssicherheit durch Erdgas aus Russland) würde der US-Regierung kurzfristig helfen, Wettbewerber ihrer einheimischen Industrie aus dem Feld zu schlagen und mittelfristig ein neues Geschäftsfeld für ihre Fracking-Branche zu erobern – letzteres wortwörtlich.
Die Granden einer EU unter deutscher Führung möchten ihr diesen Wunsch offensichtlich nur zu gerne erfüllen. Eine Eskalation der Lage ist ohne Frage im Interesse der EU, denn wie, als durch den Druck jener Umstände, die sie selbst verursacht hat, könnte die deutsche Regierung ihre Fracking-Initiative leutseliger starten? Vor allem aber: Wo - wenn nicht in der Ukraine, der einstigen „Kornkammer Deutschlands“?
Mal wieder werden diejenigen die Rechnung für soziale Rückständigkeit, intellektuelle Hilflosigkeit und moralische Unfähigkeit made in Germany bezahlen, die am wenigsten dafür können und sich am wenigsten dagegen wehren können. Schließlich hat die Funktionärselite, der pseudo-kapitalistische Rudelbums von Wirtschaft und Staat, nichts Gravierendes zu fürchten, so lange er entweder mit der schwarzen SPD oder der roten CDU regiert - oder wenn’s sein muss eben mit beiden zusammen.
Deshalb, lieber Leserinnen und Leser, bleibt uns nichts anderes übrig, als den Gürtel etwas enger zu schnallen: Es wird ein holpriger Flug. Und denken Sie bitte daran: Nicht zu viel Kuchen essen, sonst heißt es noch, uns geht’s zu gut.
haolam

No comments: