Maybrit Illner, steigen wir mal direkt ein: Selten noch war eine
Talkshow so ergiebig, wie die gestrige. Markierte sie doch so etwas wie
einen Wendepunkt: die live miterlebbare Penetration der etablierten
Parteien und der Medien mittels des Themenkatalogs der AfD. Ein
öffentlicher Polit-Gangbang der besonderen Art mit nur einem
Überlebenden. Die AfD konnte bei Illner zudem mit einem Zaubertrick
allererster Güte in die Arena steigen.
Wer hätte dieser Partei, der man bisher zu Recht nachsagte, es mangle
ihr an vorzeigbaren Gesichtern, zugetraut, dass sie hinter den sieben
Bergen, bei den sieben mecklenburg-vorpommerschen Zwergen noch einen
Oberzwerg aus dem kontaminierten Höcke-und-von-Stroch-Zylinder ziehen
könnte, der am Ende der Sendung für viele wie das aus dem Ärmel
gezauberte As aussah. Ein Herzchen-As übrigens dieser Matthias Manthei –
aber dazu gleich mehr.
Ebenfalls mit in der Runde ein Totengräber aus Merkels direktem
Umfeld, einer der fünf stellvertretenden Parteivorsitzenden der CDU und
Innenminister in Baden-Württemberg unter dem grünen Kretschmann. Ach,
sagen wir es gleich, bevor es sich von hintenrum in den Text
hineinschleichen muss: ein desolater Auftritt dieses Thomas Strobl,
vergleichbar einem dieser quälend langsamen Abgänge von alternden
Talkmastern, die immer noch Mal mit der nächsten und übernächsten
Sendung die Bühnenrampe hoch wollen und doch nur immer schlimmer
abrutschen, bis sie endgültig stürzen. Noch dazu vorgetragen im
blütenreinen Dialekt eines Wolfgang Schäuble („Na, schauen Sie mal … ähm
… “) aber ohne dessen mitunter aufflammende Schärfe.
Menschlich gesehen natürlich ein Jammer, jeder altert, wer möchte auf
so einen Energieverlust-Prozess noch die Lupe richten. Politisch
betrachtet allerdings ein Segen. Wo sich ein Edmund Stoiber am Thema
Zuwanderung in den Talkshows der Vergangenheit in Rage redete, fast so,
als wäre er in den Jungbrunnen gefallen, zeigt der
Kretschmann-infizierte Strobl deutliche Verfallserscheinungen. Jeder der
inhaltsleeren Sätze zerfasert in Zeitlupe und Endlosschleife und
schlimmer: zwischendurch ein Gekläffe, als belle er noch hoffnungsfroh
den Mond an, der aber ein Neumond ist. Ein persönliches Drama in einem
einzigen auszehrenden Akt.
Ihm gegenüber der zweite Totalausfall des Abends, Familienministerin
Manuela Schwesig. Ach je, wie sagt man es, ohne frauenfeindlich zu
wirken? Sagen wir es anders: ideenloses Dreiviertelwissen auf sich
alleine gestellt. Oder nein, immer wieder wenden sich Strobl und
Schwesig an die beiden anwesenden – aus ihrer Perspektive ungemein
klugen – Journalisten und machen sich in Ermangelung eigener Ideen deren
Formulierungen zu eigen. Herrlich. Man sieht Merkels GroKo-Vertreter
von der ersten Minute an, was ihnen gleich blüht: Sie müssen dem Volk
nun stellvertretend für die Kanzlerin AfD-Politik verkünden, freilich
als Potemkinsches Dorf. Man muss aus dem selben Topf essen mit den
Bösewichtern und auch noch „hmm!“ sagen, bevor man den trockenen Bissen
dann hintenrum wieder hoch würgt, um weiter zu machen wie bisher. Ein
dilletantisch aufgeführtes Nō-Theater.
Die soufflierenden Journalisten sind Gabor Steingart und Albrecht von
Lucke. Ersterer gibt ein bisschen den Kai Dieckmann. Ist von Lucke der
hellste Kopf in der Runde? Kann gut sein, jedenfalls redet er in
fünffacher Strobl-Geschwindigkeit, was dann aber keine so große Leistung
ist.
Kurz zu Maybrit Illner: Wo bisher Plasberg immer noch gegenüber
seinen drei weiblichen Mitbewerberinnen punkten konnte, zeigte sich die
gebürtige Ost-Berlinerin von ihrer besten Seite: Gute Fragen, gute
Moderation, schlagfertig, punktgenau, zielgerichtet. Das mag auch daran
gelegen haben, dass sie nicht als Ringrichter fungieren musste. Gerade
einmal für dieses Format unfassbare zwei Mal überhaupt wurde jemand von
einem Mitdiskutanten unterbrochen. Beide Mal wollte Strobl dem AfDler
ins Genick springen, kam aber nicht einmal aus der Höcke.
Ach so, das Thema der Sendung: „Kanzlerin der Flüchtlinge – wer folgt
noch Angela Merkel?“ Vorgezogener Gesamteindruck: Matthias Manthei
hatte mit Abstand die geringste Redezeit. Er ließ reden. Und die so
bauchberedete Runde bedankte sich bei ihm mit dem Versuch, sich
gegenseitig in AfD-Standpunkten zu überbieten.
Selten war Schweigen so effektiv. Zen, die Kunst des Zuwartens. Die
stille Projektion der eigenen Gedanken in die offenen Münder der
anderen. Wenn es Konkurrenzen in der AFD geben sollte, die Meuthens,
Petrys, Gaulands und von Storchs haben hier möglicherweise ihren
Talk-Show-Meister gefunden in einem Ex-CDUler noch aus der
Bernd-Lucke-Zeit im von Berlin weit entfernten MeckPomm konserviert und
lange nach der wilden Heringssaison anklamheimlich perfekt
zusammengerollt auf den Markt geschmissen.
Aber schnell noch ein paar der interessantesten Augenblicke der Sendung
zusammengerafft: Matthias Manthei klärt zunächst auf, das man erst von
einem Flüchtling sprechen könne, wenn der Asylantrag bewilligt sei. „Ab
wie viel Prozent ausländischer Staatsbürger ist es denn legitim die AfD
zu wählen?“ fragt er, dem Vorwurf begegnend, dass in seinem Heimatland
so wenige leben würden. Auch verweist er auf die „vielen
landespolitischen Themen“ – es sei eben mitnichten so gewesen, das er
von den bundespolitischen Themen profitiert hätte. „So bekommt man kein
Direktmandat“. Er hat eines. Das hat Strobl in Heilbronn allerdings
auch. Und der faucht dann wenigsten ein einziges Mal ordentlich zurück,
bei Minute zehn konnte er also noch irgendeine Kraftreserve
mobilisieren, aber die kommt dann leider aus der Dose mit dem
überschrittenem Verfallsdatum.
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