Friday, September 09, 2016

Bei Illner: „AfD … Verräter der abendländischen Werte“

Maybrit Illner, steigen wir mal direkt ein: Selten noch war eine Talkshow so ergiebig, wie die gestrige. Markierte sie doch so etwas wie einen Wendepunkt: die live miterlebbare Penetration der etablierten Parteien und der Medien mittels des Themenkatalogs der AfD. Ein öffentlicher Polit-Gangbang der besonderen Art mit nur einem Überlebenden. Die AfD konnte bei Illner zudem mit einem Zaubertrick allererster Güte in die Arena steigen.
Wer hätte dieser Partei, der man bisher zu Recht nachsagte, es mangle ihr an vorzeigbaren Gesichtern, zugetraut, dass sie hinter den sieben Bergen, bei den sieben mecklenburg-vorpommerschen Zwergen noch einen Oberzwerg aus dem kontaminierten Höcke-und-von-Stroch-Zylinder ziehen könnte, der am Ende der Sendung für viele wie das aus dem Ärmel gezauberte As aussah. Ein Herzchen-As übrigens dieser Matthias Manthei – aber dazu gleich mehr.
Ebenfalls mit in der Runde ein Totengräber aus Merkels direktem Umfeld, einer der fünf stellvertretenden Parteivorsitzenden der CDU und Innenminister in Baden-Württemberg unter dem grünen Kretschmann. Ach, sagen wir es gleich, bevor es sich von hintenrum in den Text hineinschleichen muss: ein desolater Auftritt dieses Thomas Strobl, vergleichbar einem dieser quälend langsamen Abgänge von alternden Talkmastern, die immer noch Mal mit der nächsten und übernächsten Sendung die Bühnenrampe hoch wollen und doch nur immer schlimmer abrutschen, bis sie endgültig stürzen. Noch dazu vorgetragen im blütenreinen Dialekt eines Wolfgang Schäuble („Na, schauen Sie mal … ähm … “) aber ohne dessen mitunter aufflammende Schärfe.
Menschlich gesehen natürlich ein Jammer, jeder altert, wer möchte auf so einen Energieverlust-Prozess noch die Lupe richten. Politisch betrachtet allerdings ein Segen. Wo sich ein Edmund Stoiber am Thema Zuwanderung in den Talkshows der Vergangenheit in Rage redete, fast so, als wäre er in den Jungbrunnen gefallen, zeigt der Kretschmann-infizierte Strobl deutliche Verfallserscheinungen. Jeder der inhaltsleeren Sätze zerfasert in Zeitlupe und Endlosschleife und schlimmer: zwischendurch ein Gekläffe, als belle er noch hoffnungsfroh den Mond an, der aber ein Neumond ist. Ein persönliches Drama in einem einzigen auszehrenden Akt.
Ihm gegenüber der zweite Totalausfall des Abends, Familienministerin Manuela Schwesig. Ach je, wie sagt man es, ohne frauenfeindlich zu wirken? Sagen wir es anders: ideenloses Dreiviertelwissen auf sich alleine gestellt. Oder nein, immer wieder wenden sich Strobl und Schwesig an die beiden anwesenden – aus ihrer Perspektive ungemein klugen – Journalisten und machen sich in Ermangelung eigener Ideen deren Formulierungen zu eigen. Herrlich. Man sieht Merkels GroKo-Vertreter von der ersten Minute an, was ihnen gleich blüht: Sie müssen dem Volk nun stellvertretend für die Kanzlerin AfD-Politik verkünden, freilich als Potemkinsches Dorf. Man muss aus dem selben Topf essen mit den Bösewichtern und auch noch „hmm!“ sagen, bevor man den trockenen Bissen dann hintenrum wieder hoch würgt, um weiter zu machen wie bisher. Ein dilletantisch aufgeführtes Nō-Theater.
Die soufflierenden Journalisten sind Gabor Steingart und Albrecht von Lucke. Ersterer gibt ein bisschen den Kai Dieckmann. Ist von Lucke der hellste Kopf in der Runde? Kann gut sein, jedenfalls redet er in fünffacher Strobl-Geschwindigkeit, was dann aber keine so große Leistung ist.
Kurz zu Maybrit Illner: Wo bisher Plasberg immer noch gegenüber seinen drei weiblichen Mitbewerberinnen punkten konnte, zeigte sich die gebürtige Ost-Berlinerin von ihrer besten Seite: Gute Fragen, gute Moderation, schlagfertig, punktgenau, zielgerichtet. Das mag auch daran gelegen haben, dass sie nicht als Ringrichter fungieren musste. Gerade einmal für dieses Format unfassbare zwei Mal überhaupt wurde jemand von einem Mitdiskutanten unterbrochen. Beide Mal wollte Strobl dem AfDler ins Genick springen, kam aber nicht einmal aus der Höcke.
Ach so, das Thema der Sendung: „Kanzlerin der Flüchtlinge – wer folgt noch Angela Merkel?“ Vorgezogener Gesamteindruck: Matthias Manthei hatte mit Abstand die geringste Redezeit. Er ließ reden. Und die so bauchberedete Runde bedankte sich bei ihm mit dem Versuch, sich gegenseitig in AfD-Standpunkten zu überbieten.
Selten war Schweigen so effektiv. Zen, die Kunst des Zuwartens. Die stille Projektion der eigenen Gedanken in die offenen Münder der anderen. Wenn es Konkurrenzen in der AFD geben sollte, die Meuthens, Petrys, Gaulands und von Storchs haben hier möglicherweise ihren Talk-Show-Meister gefunden in einem Ex-CDUler noch aus der Bernd-Lucke-Zeit im von Berlin weit entfernten MeckPomm konserviert und lange nach der wilden Heringssaison anklamheimlich perfekt zusammengerollt auf den Markt geschmissen.
Aber schnell noch ein paar der interessantesten Augenblicke der Sendung 
zusammengerafft: Matthias Manthei klärt zunächst auf, das man erst von einem Flüchtling sprechen könne, wenn der Asylantrag bewilligt sei. „Ab wie viel Prozent ausländischer Staatsbürger ist es denn legitim die AfD zu wählen?“ fragt er, dem Vorwurf begegnend, dass in seinem Heimatland so wenige leben würden. Auch verweist er auf die „vielen landespolitischen Themen“ – es sei eben mitnichten so gewesen, das er von den bundespolitischen Themen profitiert hätte. „So bekommt man kein Direktmandat“. Er hat eines. Das hat Strobl in Heilbronn allerdings auch. Und der faucht dann wenigsten ein einziges Mal ordentlich zurück, bei Minute zehn konnte er also noch irgendeine Kraftreserve mobilisieren, aber die kommt dann leider aus der Dose mit dem überschrittenem Verfallsdatum.
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