Erst soll einer der Rosenmontags-Wagen auf dem Kölner Karneval an den Anschlag auf die Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" erinnern, dann stoppt das Festkomitee das Vorhaben. In der Mitteilung des Festkomitees hieß es: "Einen Persiflagewagen, der die Freiheit und leichte Art des Karnevals einschränkt, möchten wir nicht." Sicherheitsbedenken hätten ausdrücklich keine Rolle gespielt.Aus der deutschen Presse hagelt es Kritik.
"Köln liefert ein Beispiel für vorauseilenden Gehorsam und für Selbstzensur", kommentiert der Südkurier. Dabei sei der abgesetzte Wagen noch harmlos: "Er verhöhnt weder das islamische Gottesbild noch den Propheten noch irgendwelche Jungfrauen. Die Karosse sollte einen unschädlich gemachten Dschihadisten zeigen. Der Bleistift ist stärker als eine Knarre: ein herrliches Bild für die Kraft des Witzes." Für die Zukunft des Karnevals sei die Entscheidung ein schlechtes Zeichen: "Das Kölner Komitee ist zu früh eingeknickt. Wenn es sich das nicht mehr traut, dann hat der politische Karneval seine besten Zeiten hinter sich. Mit der Schere im Kopf ist nicht gut lachen."
Noch deutlichere Worte findet die Neue Ruhr/Neue Rhein-Zeitung: "Den geplanten (und vergleichsweise harmlosen) 'Charlie-Hebdo-Wagen' aus dem Rosenmontagszug zu nehmen, weil er die, Zitat, 'Freiheit und leichte Art des Karnevals' einschränken könnte, ist feige und dumm." Auch für den Dialog zwischen den Kulturen sei die Vorsichtsmaßnahme eher nachteilig: "Interessierte Kreise werden jetzt wieder geifern und sich über DEN Islam empören, der die Meinungsfreiheit in Deutschland beschneide." Beschnitten habe sich der Kölner Karneval jedoch selbst. Die allermeisten Muslime würden für diese Entscheidung kein Verständnis haben, "weil sie erstens wissen, dass sie jetzt wieder einmal in Generalhaftung genommen werden und sie zweitens den Terrorismus im Namen des Islam verabscheuen." Die abschließenden Worte richtet das Blatt an das Kölner Karnevalskomitee: "Zieht die Narrenkappe ab. Ihr seid keine Narren. Ihr seid allenfalls Clowns."
Auch die Neue Westfälische äußert sich enttäuscht über die Entscheidung aus Köln: "Ein deutlicheres Einknicken vor der Angst lässt sich kaum denken." Der Wagenentwurf transportiere nicht den Hauch einer Kritik am Islam oder gar Mohammed: "Seine Aussage war so klar wie selbstverständlich: Wir lassen uns von Terroristen nicht die Freiheit nehmen, unsere Meinung zu sagen." Dass eine für "unser demokratisches Selbstverständnis so grundlegende Aussage" für das "karnevaleske Wohlgefühl" geopfert werde, sei ein Armutszeugnis. Dies sei, so die Zeitung weiter, nicht immer so gewesen: "Früher hatte Karneval auch was zu tun mit Kritik an herrschenden Zuständen. Er hat Politiker durch den Kakao gezogen, das Foltergefängnis Guantanamo angeprangert, die Lage in Libyen thematisiert. Sich mit den Mächtigen anzulegen gehört zum Gründungsmythos des jecken Treibens. Nun haben die Jecken offenbar nur noch mächtig Angst ums unbehelligte Schunkeln."
Der Trierischer Volksfreund empört sich über die Reaktion der Türkisch-Islamischen Union Ditib auf die Entscheidung des Karneval-Komitees: "Hätten die Veranstalter von Anfang an wissen lassen, dass sich blutiger Terror nicht für eine Karikatur im Karnevalsumzug eignet, könnte das jeder nachvollziehen. Jetzt aber die Sicherheit der Besucher vorzuschieben, klingt wie Angst vor der eigenen Courage. Eines geht in jedem Fall nicht: so wie der Islamverband Ditib in Deutschland auf die Entscheidung reagiert hat. Dort herrscht Genugtuung darüber, 'dass man unseren Werten Respekt' erweise. Was um Allahs willen sollen das für Werte sein? Eine Distanzierung dieser muslimischen Vertreter von jeglicher Gewalt klingt jedenfalls anders."
n-tv
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