Tuesday, June 02, 2015

Nachschlag zum „Spiegel“-Eklat

Das Magazin „Der Spiegel“ hat mit einer Meldung für Wirbel gesorgt, laut der Israel Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier den Überflug über sein Territorium verboten hat. Die Angelegenheit wurde nun von der israelischen Zeitung „Jerusalem Post“ aufgegriffen. Der „Spiegel“ hat mittlerweile eine Korrektur veröffentlicht – und darin den Sitz der israelischen Regierung nach Tel Aviv verlegt. Laut „Spiegel“ wollte Steinmeier bei einer Reise vom Libanon nach Jordanien Mitte Mai angeblich auf direktem Weg von Beirut über Israel nach Amman fliegen. „Da Israel bei seiner Nahost-Reise nicht auf seinem Besuchsplan stand, reagierte Jerusalem verärgert und zwang ihn zu einem Umweg“, heißt es im „Spiegel“.
Die Tageszeitung „Jerusalem Post“ hat den Eklat aufgegriffen. Unter Bezugnahme auf „Israelnetz“ berichtet die israelische Zeitung von Vorbereitungen zu dem jüngsten Besuch von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in Israel, der geplant war, noch ehe die Frage des Fluges von Beirut nach Amman aufkam. Benjamin Weinthal, Europakorrespondent der Zeitung, zitiert Vertreter der israelischen Botschaft und des Auswärtigen Amtes. Alle hatten vermeintliche Spannungen zwischen Jerusalem und Berlin dementiert. Die „Verärgerung“ und der „unfreundliche Akt“ waren in der Redaktion des „Spiegel“ frei erfunden worden.
„Mit Bedauern nehmen wir Kenntnis von der Nachricht in der neuen ‚Spiegel‘-Ausgabe,“ schreibt Adi Farjon, die Sprecherin der israelischen Botschaft in Berlin, an die „Jerusalem Post“. „Obwohl die Flugroute des Außenministers korrekt dargestellt wurde, sind die beschriebenen Ursachen für die Änderung der Flugroute völlig aus der Luft gegriffen. Flugrouten nach Israel und über Israel werden von der israelischen Luftsicherheitsbehörde festgelegt. Sie hängen von vielen Faktoren ab. Politische Erwägungen spielen dabei keine Rolle.“
Auch der „Spiegel“ hat eine Korrektur veröffentlicht und darin die verschiedenen Dementi genannt, ohne „Israelnetz“ als Quelle zu nennen. In seiner Korrektur erwähnt der „Spiegel“ „die Regierung in Tel Aviv“, was israelische Diplomaten als Affront empfinden, da der offizielle Regierungssitz Jerusalem ist. Zudem geht aus dem Artikel weiter unten hervor, dass es nicht die Regierung war, sondern die „israelische Luftaufsicht“, die Steinmeier den verkürzten Flugweg verweigert habe.
Der „Spiegel“ behauptet nun, dass Steinmeier den Antrag gestellt habe, entlang der Küste vom Libanon nach Israel fliegen zu dürfen. Dort gibt es keine internationale Flugroute für Passagierflugzeuge. Es ist anzunehmen, dass sowohl die Flugsicherheit des Libanon als auch die Israels den Antrag hätten genehmigen müssen.
Laut „Spiegel“ verlangte die israelische Luftaufsicht eine Landung in Zypern, während die Reaktion der Libanesen nicht überliefert ist. Bei der internationalen Schifffahrt und bei Flugbewegungen ist es ein übliches Verfahren, in einem neutralen Land einen Zwischenstopp einzulegen, um behaupten zu können, nicht aus Feindesland gekommen zu sein.
Dies dürfte auch Steinmeier bekannt sein. Denn unter ihm wurde mehrfach ein Gefangenenaustausch zwischen Israel und dem Libanon ausgehandelt. Die Gefangenen wurden nicht etwa direkt von Tel Aviv nach Beirut geflogen, sondern nach Deutschland gebracht, wo die offizielle Übergabe stattfand. Die libanesischen Gefangenen stiegen dort in ein anderes Flugzeug, um nach Beirut zurückzukehren. Diese Umwege von etwa 8.000 Kilometer können in älteren Ausgaben des „Spiegel“ nachgelesen werden, ohne dass sich die Zeitschrift über „Umwege“ beschwert hätte.
Ulrich W. Sahm  INN

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