Nach dem Türkei-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist der Streit zwischen SPD und Union um den geplanten EU-Beitritt des Landes erneut voll entbrannt. SPD-Chef Kurt Beck forderte eine "faire Chance" für die Türkei, der Europäischen Union beitreten zu können. Führende Unions-Politiker bekräftigten dagegen ihre Ablehnung.
SPD-Chef Beck warnte die Union davor, das Bemühen der Türkei um eine EU-Mitgliedschaft abzulehnen. "Es wäre ein verheerender Fehler, wenn wir der Türkei die EU-Tür vor der Nase zuschlügen", sagte Beck. "CDU und CSU sagen, es könne für die Türkei nur eine privilegierte Partnerschaft geben, also nur die Katzenbank - egal wie sehr sich die Türkei bemüht. Das ist falsch." Dies sei "nicht die Politik der Bundesregierung".
CSU-Chef Edmund Stoiber sagte dagegen, es dürfe "auf keinen Fall" eine Vollmitgliedschaft der Türkei geben. Die Beitrittsverhandlungen sollten zudem unterbrochen oder sogar abgebrochen werden, falls die türkische Regierung ihre Haltung gegenüber Zypern nicht ändere. Die Türkei sei zwar ein wichtiger Partner in der NATO, aber "kein europäisches Land", betonte Stoiber.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) sagte, eine EU-Mitgliedschaft der Türkei "überfordert das Abendland, unsere Kulturgemeinschaft". Diese Position habe Bundeskanzlerin Merkel auch bei ihrem Türkei-Besuch ehrlich vertreten.
Merkel hatte bei ihrem Antrittsbesuch in der Türkei deutlich gemacht, dass sie als CDU-Vorsitzende weiterhin eine "privilegierte Partnerschaft" der Türkei befürworten würde. Als Bundeskanzlerin werde sie aber Verträge der Vorgängerregierung einhalten, betonte sie am vergangenen Freitag in Istanbul.
Vor dem Hintergrund der stockenden EU-Beitrittsverhandlungen hatte Merkel die türkische Regierung zugleich aufgefordert, den Konflikt mit Zypern beizulegen und die türkischen Häfen für zyprische Schiffe zu öffnen. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte dies abgelehnt mit dem Hinweis, dass zunächst die Isolation Nordzyperns beendet werden müsse.
EU-Kommissar Verheugen kritisierte, dass Europa in Richtung Türkei "fast nur noch negative Signale" aussende. "Wir konzentrieren uns auf die Schwächen des Landes, ohne Mut zur Veränderung zu machen", monierte der SPD-Politiker. Damit werde eine "gefährliche Spirale" in Gang gesetzt, "die in ein weltpolitisches Versagen allererster Ordnung zu münden droht". Der Grünen-EU-Parlamentarier Özdemir warnte ebenfalls davor, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu verzögern. Die EU dürfe sich nicht "hinter der Zypern-Frage verstecken", sagte Özdemir. Der Streit um die faktische Anerkennung Zyperns durch die Türkei sei "einigen offenbar als Alibi willkommen", um die Beitrittsverhandlungen mit Ankara "auf die lange Bank zu schieben".
(ddp)
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