Monday, September 29, 2014

Debatte um Armenier-Mahnmal: Türkischer Druck zeigt in Genf Wirkung


Bereits sieben Jahre dauert das Seilziehen um eine Gedenkstätte in Genf für den Armenier-Völkermord. Für das Mahnmal, das neben dem Uno-Gebäude geplant ist, kämpfen die Armenier und die Stadt Genf; dagegen kämpfen die Türkei und das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Der Kanton jedoch, der den Bau bewilligen muss, hielt sich heraus – bis jetzt. Doch nun macht Regierungspräsident François Longchamp (fdp.) das Baubewilligungsverfahren zur Chefsache. Gegenüber der Stadtregierung hat er sich persönlich eingeschaltet und Support für das heikle Projekt signalisiert. Er wünscht aber eine Verlegung an einen weniger exponierten Standort. Gemäss zuverlässigen Informationen hat Longchamp dies der Stadt im Juni schriftlich mitgeteilt. Dazu äussern will Longchamps Departement sich nicht. Rückblende: 2008 beschloss das Genfer Stadtparlament, ein Mahnmal zu errichten zum Gedenken an die türkischen Massaker, denen vor hundert Jahren bis zu 1,5 Millionen Armenier zum Opfer fielen. Finanziert würde die Gedenkstätte von den Armeniern. Zuerst war sie in der Altstadt vorgesehen, was aber am Veto des Denkmalschutzes scheiterte. Darauf prüfte die Stadt Alternativen und wählte schliesslich den Ariana-Park neben dem Uno-Sitz. Weil dieser Standort die symbolische Bedeutung der Gedenkstätte verstärkt, zieht die Türkei erst recht alle Register, um sie zu verhindern. Die türkische Diplomatie hat auf allen Ebenen interveniert: bei der Stadt, beim Kanton, bei der Uno, beim Bundesrat. Auch das EDA versucht, das Projekt zu entschärfen. So schlug das EDA etwa vor, jeden Bezug zu Armenien zu entfernen und ein allgemeines Mahnmal für Kriegs- und Genozid-Opfer zu errichten. Doch die entscheidende Rolle spielt der Kanton. Seit dem 11. Februar 2014 schiebt er das Baugesuch auf die lange Bank. Der Kompromiss, den Longchamp nun anstrebt, treibt die Armenier-Lobby auf die Barrikaden. Man habe den Standort bereits einmal gewechselt, nun sei es genug, sagt Sarkis Shahinian, der Ehrenpräsident der Gesellschaft Schweiz-Armenien. Mit einer erneuten Verlegung würde die Schweiz «dem Druck eines Völkermord-leugnenden Staates nachgeben». Aus seiner Sicht ist das Mahnmal mit Beschlüssen der Uno und der Schweiz kompatibel, namentlich mit der Uno-Völkermord-Konvention von 1948 sowie der bundesrätlichen Botschaft zum Internationalen Strafgerichtshof aus dem Jahr 2000. Auch die Stadtregierung will am jetzigen Standort festhalten. Bürgermeister Sami Kanaan (sp.) seinerseits hielt am 30. Juli in einem Antwortbrief an Longchamp fest, es gehe hier nicht um eine simple Skulptur, die man einfach verschieben könne. Die «Laternen der Erinnerung», so der Name des Werks, sind acht Meter hohe Kandelaber, die über eine grössere Fläche verteilt sind. Die Ausarbeitung einer dritten Version könne man dem Künstler Melik Ohanian nicht zumuten, hielt Kanaan fest. Je länger sich der Entscheid in Genf verzögert, desto näher rückt das symbolträchtige Jahr 2015. Dann jährt sich der Völkermord an den Armeniern zum 100. Mal, was die Gedenkstätte und die Manöver darum herum erst recht in den Fokus der Öffentlichkeit rücken wird.
 nzz

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