Friday, December 15, 2017

Aufschneider

Das deutsche Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier hat nach antisemitischen Aufmärschen in verschiedenen Städten in Deutschland, in deren Verlauf jüdische und israelische Symbole und Fahnen verbrannt worden waren, seinen israelischen Amtskollegen Reuven Rivlin angerufenund sich, wie er zitiert wird, von »zutiefst verstörenden Ausdrücken von Antisemitismus« distanziert.
»Solche Akte des Hasses und Rassismus haben keinen Platz in Deutschland«, erklärte der Bundespräsident seinem Gesprächspartner, die Täter würden von den Behörden verfolgt. Mit seinem Anruf folgte Frank-Walter Steinmeier einer ganzen Reihe von Politikern, die sich in den vergangenen Tagen entschlossen gaben, Antisemitismus in Deutschland nicht akzeptieren oder dulden zu wollen.
So angebracht freilich diese Erklärungen auch sein mögen, wirken sie doch leider wenig glaubwürdig. Und dazu haben gerade die, die jetzt Schadensbegrenzung zu betreiben versuchen, beigetragen. Im Mai etwa ehrte Frank-Walter Steinmeier bei einem Besuch in Ramallah Yassir Arafat mit einem Kranz, einen Erzfeind des jüdischen Staats. Und heute stören ihn brennende israelische Fahnen?
Auch Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich zum Wochenbeginn entschlossen: »Wir wenden uns gegen alle Formen von Antisemitismus und Fremdenhass«, erklärte die CDU-Vorsitzende nach Beratungen der Führung ihrer Partei. Und doch gehört Angela Merkel zu den Stammgästen der alljährlich in Bayreuth organisierten Festspiele zu Ehren des wütenden Juden-Hassers Richard Wagner.
Vize-Kanzler Sigmar Gabriel will jetzt das Verbrennen von israelischer und anderer Flaggen verbieten – und erwartet offenbar noch immer Beifall dafür, Israel »Apartheid« bescheinigt zu haben: »Er selbst«, zitiert ihn die Berliner Zeitung, »habe vor einigen Jahren nach einem Besuch in Hebron in den besetzten Gebieten davon gesprochen, dass ihn das Gesehene an Apartheid erinnere«.
In einer seiner letzten Sitzungen beschäftigte sich der 18. Deutsche Bundestag mit dem Zweiten Antisemitismusbericht, den in seinem Auftrag eine Experten-Kommission erstellt hatte. Die Fraktionen der bis heute regierenden Unions-Parteien und der SPD wollten ihn ursprünglich nur zur Kenntnis nehmen und durch diesen Trick eine Befassung mit dem Thema im neuen Bundestag verhindern.
Der Unabhängige Expertenkreis schlug in seinem Bericht einige Maßnahmen vor, die Deutschland im Kampf gegen Antisemitismus ergreifen könne. Einer dieser Vorschläge wurde umgesetzt: die Annahme einer einheitlichen Antisemitismus-Definition. Für die Berufung etwa eines Antisemitismus-Beauftragten oder eines dauerhaften Expertengremiums sah man bisher keine Notwendigkeit.
Und so muß sich heute, da antisemitische Ausschreitungen in Deutschland Schlagzeilen machen, die Politik durchaus den Vorwurf gefallen lassen, zu lange bewußt weggeschaut und Probleme geleugnet zu haben. Mit ein paar hohlen Phrasen jedenfalls ist nicht zu retten, was doch gar nicht zu retten ist. Um verlorenes Vertrauen wiederherzustellen, müßte es zunächst einmal da gewesen sein.
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