von Gerrit Liskow
Noch gestern Abend hat der britische Premierminister auf die Berichte reagiert, wonach ein Vorstandsmitglied aus seiner „näheren Umgebung“ die Basis der Tory Party als „mad swivel-eyed loons“ / „bösartig durchgedrehte Irre“ bezeichnet haben soll; es ist offiziell noch immer unklar, wer das gesagt haben soll, aber alle glauben, dass es nicht Lord Feldman war.
In einem Email an alle Mitglieder beteuert Mr Cameron, er sei stolz auf die Mitglieder der Partei und das, was sie täten. Die konservative Partei sei durch ein Band der Freundschaft verbunden, das von den entlegensten Kreisverbänden bis nach Westminster und Downing Street reiche und niemand würde sowas (s.o.) nie gesagt haben würden – nein, niemals nicht!
Das Email kommt, nachdem Nigel Farage am Vortag in einem als offenen Brief aufgemachten Zeitungsinserat die Mitglieder der Tory Party dazu eingeladen hatte, sich der UK Independece Party anzuschließen. Hier wären ihre Ansichten willkommen und sie würden auch nicht beleidigt. Es soll bereits zum Übertritt eines Kreisvorstandes gekommen sein; mit weiteren Tory-Abtrünnigen wird gerecht.
Mr Camerons Charme Offensive sollte bei der Basis besser auf fruchtbaren Boden fallen, wenn er in seiner Funktion als Premierminister eine Zukunft haben will. Beides ist ziemlich unwahrscheinlich, denn die Abneigung gegen die aktuelle Regierung beläuft sich auf über 70%, und um die angebliche Beleidigung aus der Welt zu schaffen, bleibt ihm nichts anderes übrig, als an ihren Inhalt zu erinnern und auf die Vergesslichkeit seiner Tories zu hoffen.
So auch in seinem Email: Unter einer Lawine biographischer und politischer, überaus wortreicher Beteuerungen blieb Mr Cameron nicht viel mehr übrig als zu behaupten, dass er oder jemand aus seinem Umfeld „sowas“ (s.o.) nie gesagt haben würde. Aber warum klingt das wie bei wie einem Schlangenbeschwörer? Denken Sie jetzt nicht an einen lila Elefanten!
Dennoch scheint das alles gewesen zu sein, was Mr Cameron jetzt noch machen konnte. Wobei die notorisch „durchgedrehte“ Formulierung bereits vor einem Jahr in der Financial Times zitiert wurde, und zwar aus Mr Camerons eigenem Mund. Nämlich als es hieß, der Premierminister bezeichne alle, die mit ihm über Änderungen seiner „Europa“-Politik reden möchten, als „mad swivel-eyed loons“.
Erst in der letzten Woche hatten 116 Abgeordnete aus Mr Camerons Koalition die Queen´s Speech, also die Regierungserklärung im Parlament, kritisiert und in einer Abstimmung bekundet, dass sie mit der EU-Politik der Regierung nicht einverstanden sind und es bedauern, dass ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft ihres Landes nicht als offizielle Politik der Regierung angekündigt wurde.
Wer praktische Erfahrungen mit derartigen Volksabstimmungen in EU-Dingen hat, wird sich indes erinnern, wie sie auszugehen pflegen und was danach geschieht: Entweder, das Ergebnis wird ignoriert, oder es wird solange abgestimmt, bis das Ergebnis „stimmt“ – einfach total demokratisch das Ganze!
Die mehr oder weniger offene Revolte gegen den „Europa“-Kurs der Regierung Cameron sowie die „durchgedrehte“ Phase in ihrer Beziehung zur Basis markieren einen neuen Höhepunkt in der Beziehungskrise von Vorstand, Partei und Koalition.
In aktuellen Umfragen setzte sich Erosion der britischen Konservativen über das Wochenende fort: die Tories liegen jetzt nur noch zwei Prozent vor ihrer Hauptkonkurrenz, Mr Farages UKIP, bei jeweils 24 bzw. 22 Prozent.
Labour, also die Opposition, konnte die endemische Unzufriedenheit mit der Koalitionsregierung weder in Wahlen noch in Umfragen in irgendein politisches Kapital ummünzen sondern verharrt seit Jahren bei um die 35 Prozent.
haolam
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