Ohne Zweifel ist der Widerwille gegen den Journalismus, die Zeitungen, die Presse ein faschistischer Topos. Insofern der Journalist – darin einer Sorgfaltspflicht folgend, die weniger einem reklamierten Berufsethos folgt, als vielmehr Prozesskosten vermeiden will – Fakten vorsichtig, abwägend, aber eben doch pointiert und klar (schließlich will der Leser unterhalten sein) darstellt, widerspricht er dem politischen Deliranten fast schon automatisch. Der Projizierende, der Verschwörungen allenthalben wittert, schlägt jeden, der ihm keine Nahrung für den Wahn liefert, wiederum einer Verschwörung zu, nämlich jener, die die anderen Verschwörer tarnt und deckt. Insofern ist die Rede von der „Systempresse“ so alt wie die Rotationsdruckmaschine und der Faschismus. Aber damit ist der Fall nicht erledigt – dass der Faschist die Presse nicht mag, macht diese nicht automatisch antifaschistisch und entzieht sie auch nicht a priori dem so sehr berechtigten Vorwurf der ebenso halbgebildeten wie interessierten Lüge.
Wäre das so, fiele nämlich auch Karl Kraus unter die Kategorie „Pegida-Nazi“. War er es doch, der den selbst von den Nazis zuweilen verwendeten Begriff der „Journaille“ populär machte. Kraus’ Einwände gegen die „schmierigen Taglöhner des Geistes“, gegen die Anmaßung, im Namen eines ominösen „Wir“ zu urteilen, gegen das journalistische Handwerk „suggestiver Täuscherkraft“, kurz: gegen die „journalistische Allmacht“, führten den Herausgeber der Fackel bereits Anfang des letzten Jahrhunderts zu einer zentralen Frage, die aktueller nicht sein könnte: „Darf der einfache Mann aus dem Volke, dem jene Erkenntnis über das Zeitungswesen mangelt, aus der der Herausgeber der Fackel […] aufreizende, zwingende Argumente für Hass und Verachtung gegen die parasitären Zerstörer des Geistesleben schöpft – darf einer, der ihr Wirken nicht durchschaut, dem aber endlich ein Ahnen die Augen geöffnet, dem dumpfen Gefühl von Abscheu und Ekel in einem Schimpfwort den erlösenden Ausdruck geben?“ Zwar lässt sich kaum mehr so unbedarft vom „einfachen Mann aus dem Volke“ sprechen, wie Karl Kraus es noch konnte, dennoch hat sich nichts daran geändert, dass man kein Faschist sein muss, um diese Frage zu bejahen. Das immer auch Erlösende, das jedem Schimpfwort eignet, die regelrechte Befreiung, ist gerade dann in der Pauschalierung zu finden, wenn der Schimpfende trotz eigener Bemühung nicht über das Ahnen, das es so ist, hinauskommt. Problematisch wird es erst dann, wenn der Schimpfende das Wirken einer Sache meint längst durchschaut zu haben und eigentlich wünscht, eine eigene, mindestens ebenso verlogene „Systempresse“ an die Stelle der aktuellen, beschimpften zu setzen; wenn er den Verabscheuten zu sehr ähnelt, sie in Sachen Sprachfertigkeit zwar unterbietet, in Sachen Wahn sich aber als mindestens ebenbürtig erweist.
Vom Gift medialer Vielredner
Denn dass die deutsche „Journaille“ selber – und das bemerkenswert einstimmig – einem Wahn folgt, auch wenn sie sich vom stammelnden Nazi-Deliranten in Grammatik, Wortwahl und politischer Camouflagefähigkeit unterscheidet, war in diesen Wochen, in denen der eigentlich geliebte Islam wieder im wahrsten Sinne mörderische Probleme machte und der ungeliebte Otto Normalverbraucher, im Krausschen Sinne ahnend und sich zugleich im Fundus deutschen Seelen-Unrats bedienend, Pegida-Ärger stiftete, völlig offenkundig. Der journalistische Wahn, also der politisch korrekte Journalismus, ruft deshalb so schnell „Nazi!“, weil er dessen Wahn teilt, aber eben die jüdische Weltverschwörung gegen Israelkritik, das leidende deutsche Volk gegen die Völker der Dritten Welt, das arische Kulturerbe gegen den verehrten Islam getauscht hat. Was also, wenn die Presse nichts weiter als eine der hergebrachten Projektion konkurrierende und doch zutiefst wesensverwandte Projektion hervorbrächte?Blickt man darauf, was den so genannten seriösen Medien, allen voran übrigens die Lehrer- und Pfarrerswelle Deutschlandfunk, im Zusammenhang mit den islamischen Massakern in Paris einfällt, kann man das Fragezeichen, mit dem der vorige Absatz endete, getrost weglassen und in die Feststellungsform wechseln. Es wird gelogen, projiziert, verdreht, erfunden, was das Zeug hält – alles zum Frommen einer Ideologie, die man offenbar umso tiefer ins Herz schließt, je mehr sie offenbart, dass ihr zentrales Buch es nicht verdient, in einem Atemzug mit Thora und Bibel genannt zu werden: Der Islam ist den Deliranten des Medienkartells teuer als Verschiebebahnhof des eigenen verdrucksten Widerwillens gegen die Zivilisation wie auch als exotische Kompensationsreligion für die soziale und ökonomische Deklassierung von Bürgern, die irgendwie aus Familien stammen, die wiederum irgendwie aus islamisch geprägten Ländern gekommen sein mögen – weshalb sie übrigens noch lange nicht das Generalkollektiv „Muslime“ bilden, wie es das in seinem Antirassismus rassistische Medienkartell beschwört. Dass diese Familien in der Situation kulturalistisch verbrämter, ansonsten aber knallharter ökonomischer Abschiebung nicht nur überdurchschnittlich viele Schulversager und Kleinkriminelle produzieren, sondern noch weiter über dem Durchschnitt und alles andere als zufällig hochaggressive, unbeherrschte Gangster und im Fall ideologischer Zuspitzung Intensivtäter und Mörder – das liegt natürlich an der islamisch inspirierten Erziehung, an der islamischen Binnenmoral. Und genau das, was jeder weiß, der auf Sportplätze und Schulhöfe geht oder öffentliche Verkehrsmittel benutzt, genau das darf niemand aussprechen – und wo es unvermeidlich wird, dann nur in speziellen Sprachvorstanzungen, die jeden konkreten Erfahrungsgehalt abtöten und falsche Allgemeinheit setzen, über ihren Gegenstand täuschen, indem sie von ihm sprechen, ohne ihn zu nennen.
So wäre, wenn man wollte, über die Lingua Quartii Imperii, zu urteilen, die Sprache des Medienkartells der Berliner Republik. Allein der Gebrauch des Begriffs „islamkritisch“ als Synonym für „rassistisch“ oder „fremdenfeindlich“, der den so Bezeichneten zum Volksfeind erklärt, irgendwo zwischen Kinderschänder und Sozialbetrüger, fällt auf die zurück, die so gern sich der – durchaus mediokren – Studie Victor Klemperers bedienen, denn sie spricht genau auch von ihnen: „Und dieses durchtränkt die Worte und Wortgruppen und Satzformen mit ihrem Gift, macht die Sprache ihrem fürchterlichen System dienstbar, gewinnt an der Sprache ihr stärkstes, ihr öffentlichstes und geheimstes Werbemittel.“ Dieses Gift verabreichen dabei keineswegs schweigsame Scharia-Polizisten, sondern ausgerechnet die medialen Vielredner, die ihr „Narrativ“ auf Teufel komm raus weiter durchdrücken wollen – wider jede Empirie und wider jede Humanität. Nur folgerichtig wurde flugs von einer ihrer Agenturen zum „Unwort des Jahres“ gekürt, was sie als ein Kollektiv schwer Beleidigter letztlich nur zur Kenntlichkeit entstellt hat: „Lügenpresse“. Einige der widerwärtigsten Beispiele dieses Zwangsnarrativs haben wir hier – im Zusammenhang mit dem Charlie Hebdo-Massaker – aus den Kommentaren und Reaktionen eben jener Lügenpresse, ja: Lügenpresse! unkommentiert zusammengestellt.
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