Monday, December 21, 2015

Aufstand der Bruderhorde -- Die Front des „Islamischen Staats“ verläuft durch Paris


Seine hitmen sind längst da, haben französische, belgische oder deutsche Pässe und Geburtsorte. Auf eine Stärke von etwa 11.000 „gewaltbereiten Islamisten“ schätzt eine aktuelle und durchaus konservativ gehaltene Studie des französischen Innenministeriums diese potentielle Besatzungsarmee in den eigenen Großstädten (Le Figaro, 15.11.2015). Deren Mitglieder müssen nicht erst eingeschleust oder gar bezahlt werden, sie rekrutieren sich von selbst, sie schließen die von ihnen kontrollierten ganglands in Paris, aber auch in Brüssel oder London unaufgefordert dem „Islamischen Staat“ an, weil er – im Großen und in der Wüste – den von jungen islamischen Männern kontrollierten Kleinstterritorien in den europäischen Vorstädten konstitutionell gleicht: dieselbe Motivation, dieselbe Vorstellungswelt, dasselbe Charakterbild.

Mit Sekt gegen den Terror 

 Und genau das ist es, was die Krafts nicht zum Thema machen wollen, denn politische wie ökonomische Investitionen in diese Vorstädte und das in ihnen vegetierende Dienstleistungsproletariat sollen nicht zur Debatte stehen; weiterhin herrscht die Vorstellung, dass die communities der sozusagen im Inland Abgeschobenen sich selber überlassen bleiben sollen, wobei der Islam sowohl als wichtiger innerer Kitt als auch als Grenzwächter nach außen, gegenüber der ihn umgebenden belgischen, französischen oder deutschen Gesellschaft, angesehen wird. Worüber also nicht geredet werden soll – und worüber auch die Söders konsequenterweise nicht reden –, ist wieder einmal der Islam, genauer gesagt, die an sich so offensichtlichen Konsequenzen, die es nach sich zieht, wenn die spätindustrielle Hartz-IV-Gesellschaft und ihr politisches Management die islamisch geprägten Milieus sich selbst überlassen, ja, diese nachgerade restituieren helfen. Und so legte, um nur ein Beispiel von unzähligen herauszugreifen, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Hubertus Heil, am 15. November nach und twitterte in die Welt hinaus: „Europas Rechtsextreme und der IS arbeiten am selben Ziel: ‚Kampf der Kulturen‘. Wir verteidigen die Freiheit gegen beide“, also logischerweise: die Freiheit der Kulturen, nicht die der Einzelnen. Die Krafts und Heils gaben damit die Linie vor, die sämtliche eilig anberaumten Talkshows von Maybritt Illner bis Günter Jauch dann in die Wohnzimmer transportierten: Es gelte nun, Ruhe zu bewahren, weiterzumachen wie bisher, mit dem Islam zu kuscheln und trotziges Sekttrinken als einzig zulässige Maßnahme gegen den Terror anzusehen. Genau diese Sorte quietistisches Geschwätz, das wochenlang Rundfunk und Feuilleton bestimmte, das eilfertige Fernsehreporter ebenso eilfertige Gutbürger auf Weihnachtsmärkten in die Mikrophone sagen ließen, hatte Charlie Hebdo auf dem Cover der Ausgabe vom 17. November bereits zerlegt: Dort leert ein debil grinsender Bonvivant sein Glas mit den Worten „Sie haben die Waffen, wir haben den Champagner“, während ihm ebendieser bereits durch mehrere Einschusslöcher aus dem Körper strömt – und traf damit genau das, was sich aller propagandistischen Bemühungen zum Trotz nicht mehr wegleugnen lässt und was die Schlächtereien vom 13. November von ihren Vorgängern in den westlichen Metropolen unterscheidet. Antisemitisch waren sie allesamt, vom Angriff auf die Finanzmetropole New York über das Gemetzel im koscheren Supermarkt im Januar bis zur Massenexekution im Bataclan, dem Pariser Club, der Antizionisten seit jeher ein Dorn im Auge war; möglichst viele ahnungslose Menschen zu töten, war auch schon das Ziel der Zugbombe in Madrid und des Amoklaufs in der Londoner U-Bahn; besonders auffällig Ungläubige zu bestrafen, war bereits das Motiv bei der Ermordung Theo van Goghs und den Terroraktionen in Dänemark. Neu war in Paris, dass die Terroristen als öffentliche Scharia-Polizei agierten, mithin beanspruchten, den islamic way of life auf offener Straße gegen jedermann durchzusetzen und die Strafen für ungläubiges Fehlverhalten, als da wären Alkoholgenuss, Fußball und Rockmusik, an Ort und Stelle zu exekutieren. Was in Paris passierte, war das selbstbewusste Auftreten eines Gegensouveräns, dem es darum zu tun ist, zu demonstrieren, dass sich sein territorialer Machtbereich nicht mehr auf Syrien und die Pariser Vorstädte eingrenzen lässt, dass sein schrankenloser Regulierungsanspruch in direkte Konkurrenz mit dem des bestehenden staatlichen Gewaltmonopols tritt, dass sein unvermitteltes, physisches Faustrecht sich an die Stelle aller rechtlichen und sozialen Vermittlungen setzt, die auch noch in der nachbürgerlichen Gesellschaft den Alltag regulieren, indem sie eben physische Gewalt monopolisieren und eingrenzen. Genau in diesem Auftreten wird der zeitgenössische Islam kenntlich, die Massaker von Paris sind sein authentischer Ausdruck als Religion, die keine Saturiertheit kennt, die ihren inneren konstitutiven Widerspruch, nämlich Triebe nicht zu sublimieren, sondern immer nur zu reprimieren, exportieren muss – so lange, bis es kein anders geartetes Außen mehr gibt. Die schwammige Rede vom „Angriff auf unsere Lebensart“, um die Publizisten und Politiker seit Paris nicht mehr umhinkommen, registriert das gezwungenermaßen und widerwillig. Widerwillig deshalb, weil darin bereits die Erkenntnis liegen könnte, dass allein die Brutalität der Mittel die Pariser Mordnacht vom Tugendterror im Klassenzimmer oder dem islamischen Grenzregime an den U-Bahneingängen der Banlieues unterscheidet – Antrieb und Zweck sind jedoch identisch.
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