Er sei kein "sehr geübter Demonstrant", sagt Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) mit einem süffisanten Lächeln, als er bei der Kundgebung der israelitischen Kultusgemeinde im Vorfeld des WM-Spiels Iran gegen Mexiko das Wort ergreift. Doch an diesem Sonntagnachmittag in Nürnberg halte er es für "notwendig und richtig", auf die Straße zu gehen.
Rund 1000 Mitglieder jüdischer Gemeinden haben sich wenige Stunden vor Beginn der Partie im Nürnberger WM-Stadion auf dem Jakobsplatz in der Innenstadt versammelt, um gegen die iranische Regierung zu demonstrieren. Neben Beckstein sind auch Grünen-Chefin Claudia Roth, Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) und der Publizist Michel Friedman als Redner erschienen. Sie alle erklären sich "uneingeschränkt solidarisch" mit der jüdischen Gemeinde und versichern gleichzeitig, auf keinen Fall gegen die iranische Mannschaft und die iranischen Fans, die mit Ahmadinedschad nichts zu tun hätten, wettern zu wollen.
"Wir sind Freunde des iranischen Volkes", sagt Beckstein. Er lehne jedoch die Regierung ab, die den Holocaust leugne und Israel vernichten wolle. Roth fordert in ihrer Rede Ahmadinedschad auf, sich für seine "unerträglichen Ausfälle" zu entschuldigen und das Existenzrecht Israels anzuerkennen. Oberbürgermeister Maly sagt, Ahmadinedschads Äußerungen seien "kein Kavaliersdelikt" und gehörten "klar geächtet".
Noch schärfer sind die Worte des früheren Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden. Friedman bezeichnet den iranischen Präsidenten als "Hitler des 21. Jahrhunderts" und wirft den deutschen Politikern einen "Schmusekurs" mit der Regierung in Teheran vor. Es gebe keinen Grund, sich anzubiedern, ruft Friedman und kritisiert zugleich, dass Ahmadinedschads Vize Mohammed Aliabadi ein Visum für die WM bekommen habe. Sein Besuch des Spiels Iran gegen Mexiko am Sonntagabend sei "eine Schande für unsere eigene Glaubwürdigkeit".
Während auf dem Jakobsplatz die iranische Regierung angeprangert wird, sind nicht weit entfernt auf dem Hauptmarkt und vor der Lorenzkirche Hunderte iranische Fußballfans unterwegs, um sich - genauso wie die mexikanischen Anhänger - jubelnd und Fahnen schwenkend auf das bevorstehende Spiel einzustimmen. Von der Kundgebung halten die meisten von ihnen nicht viel.
Der 42 Jahre alte Kabir, der vor 27 Jahren aus dem Iran nach Deutschland zog, ist regelrecht empört: Er empfinde es als eine persönliche Beleidigung, dass Beckstein auf die Straße gehe, sagt er. Die meisten iranischen Fans seien auch nicht für die derzeitige Regierung, aber er denke, dass Sport und Politik klar getrennt werden müssten. Kabir betont: "Beckstein soll Religion Religion, Sport Sport und Politik Politik sein lassen." Umstehende Fans pflichten ihm bei. Die Kundgebung halten sie für "unhöflich dem iranischen Volk gegenüber".
Friedman dagegen will die Argumente der Fußballanhänger nicht gelten lassen. Die WM und das Spiel Iran gegen Mexiko seien politisch geworden, "spätestens seit Irans Vizepräsident Aliabadi in Deutschland ist", ruft er wütend ins Mikrofon. Bei allem, was jetzt mit der iranischen Mannschaft zu tun hat, kann nach Ansicht Friedmans Sport und Politik nicht mehr getrennt werden.
(ddp)
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