Eineinhalb Jahre nach einem vereitelten Mordanschlag auf den ehemaligen irakischen Ministerpräsidenten Ijad Allawi müssen sich drei mutmaßliche Drahtzieher vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft den Irakern Mitgliedschaft in der nordirakischen Terrorgruppe Ansar al Islam sowie Verabredung zur Emordung Allawis und Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz vor.
Der Prozess findet unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen im Hochsicherheits-Gebäude in Stuttgart-Stammheim statt, das in den 70er Jahren für RAF-Verfahren gebaut wurde. Bei dem Hauptangeklagten handelt es sich um den 32-jährigen Ata R. aus Stuttgart, den die Bundesanwaltschaft als Rädelsführer mit engen Kontakten zur Führungsebene der radikal-islamistischen Ansar al Islam einstuft. Mitangeklagt sind der 24-jährige Mazen H. aus Augsburg und der 32-jährige Rafik Y. aus Berlin. Alle Angeklagten sind gebürtige Iraker.
Den Ermittlungen zufolge verfolgte Rafik Y. das Ziel, Allawi anlässlich seines Deutschlandbesuchs im Dezember 2004 in der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Bank in Berlin zu ermorden, nachdem die Ansar al Islam mehrfach zu dessen Tötung aufgerufen hatte. "Er sah für sich die Möglichkeit gekommen, dieses Ziel in die Realität umzusetzen", betonte Bundesanwältin Silke Ritzert. Von den anderen zwei Angeklagten soll er schließlich die Erlaubnis für den Anschlag eingeholt und dann den ausgewählten Tatort ausgespäht haben.
Der Staatsschutz war den Tatverdächtigen vor allem durch das Abhören von Telefongesprächen auf die Schliche gekommen. Darin soll Rafik Y. dem Mitangeklagten Mazen H. unter anderem mitgeteilt haben, er habe "die Baustelle besichtigt". Letztlich wurden alle drei mutmaßlichen Terroristen in den frühen Morgenstunden des 3. Dezember 2004 festgenommen. Noch am selben Tag sollte das Attentat durchgeführt werden.
In der Anklageschrift werden den Irakern zudem Spendensammlung und Geldtransfers zu Gunsten der Ansar al Islam zur Last gelegt. Der Hauptangeklagte Ata R. soll nicht nur in Deutschland, sondern auch in Schweden und Großbritannien an der Geldbeschaffung beteiligt gewesen sein. Die Gelder seien unter anderem für Selbstmordanschläge im Irak und für den Aufbau von Terror-Zellen vorgesehen gewesen.
Rafik Y. erklärte zu Prozessbeginn, die Anklage enthalte "50 Fehler", was er beweisen könne. Später gab er jedoch wie die anderen an, sich nicht äußern zu wollen. Zu Verzögerungen am ersten Prozesstag kam es durch Anträge der Verteidigung, das Verfahren auszusetzen, um neue Übersetzungen der Anklage anfertigen zu lassen. Der Senat unter der Vorsitzenden Richterin Christine Rebsam-Bender wies diese jedoch zurück.
Der Stuttgarter Prozess ist zunächst bis 21. September terminiert. Vor dem Oberlandesgericht München begann am Dienstag ebenfalls ein Ansar-al-Islam-Prozess. Dort müssen sich zwei Iraker aus Nürnberg und München wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung der Terrorgruppe verantworten.
(ddp)
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