Ein Kreuzfahrtschiff läuft mit Kurs auf Hamburg in die Elbe ein. Kaum hat es Cuxhaven passiert, preschen zwei Schnellboote heran und eröffnen das Feuer. Maskierte Islamisten entern das Schiff und nehmen die Passagiere als Geiseln. Die Terroristen verlangen die Freilassung von in Deutschland inhaftierten "Gotteskriegern". Ansonsten würden sie das Schiff in die Luft sprengen.
Auf ein solches Horrorszenario stellen sich die deutschen Sicherheitsbehörden ein. Der US-Auslandsgeheimdienst CIA hat vor kurzem an seine Partnerdienste einen Hinweis übermittelt, nach dem die Extremisten der Al-Qaida jetzt auch Anschläge auf westliche Passagier- und Frachtschiffe planen.
Um Terroranschläge in deutschen Gewässern zu verhindern, hat am 1. Januar in Cuxhaven das neue "Maritime Sicherheitszentrum" (MSZ) seine Arbeit aufgenommen. Die deutschen Küsten an Nord- und Ostsee sollen noch besser geschützt werden. Das MSZ bringt nach Darstellung des Bundesinnenministeriums einen "erheblichen Qualitätssprung in der Seesicherheit". Im MSZ sind Experten der fünf deutschen Küstenländer "optimal vernetzt", um im Ernstfall effektiv die notwendigen Maßnahmen zur Abwehr eines terroristischen Angriffs auf See und anderer Gefahren wie Umweltkatastrophen einzuleiten.
In dem Zentrum sollen Bundespolizei, Zoll, Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, Fischereischutz, die Wasserschutzpolizeien der Küstenländer und das Havariekommando gemeinsam die Lage auf Nord- und Ostsee beobachten. Kernstück des MSZ ist das Lagezentrum. Rund um die Uhr werden von hier aus die Seeräume überwacht und alle für die maritime Sicherheit notwendigen Informationen zu einem "maritimen Lagebild" zusammengeführt. "Durch die räumliche Zusammenlegung aller Behörden können die maritimen Sicherheitsaufgaben noch besser wahrgenommen werden", erläuterte der Sprecher des Bundespolizeipräsidiums Nord, Stefan Windisch, der ddp am Wochenende. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat nach seinem umstrittenen Vorstoß zum Luftsicherheitsgesetz jetzt auch seine "politische Vision" für ein Seesicherheitsgesetz entwickelt. Er will seine Notfallpläne zum Abschuss eines von Islamisten gekaperten Passagierflugzeuges auf den maritimen Raum ausdehnen. Im Koalitionsvertrag sei vereinbart worden, auch für die Gefahrenabwehr in deutschen Küstengewässern eine verfassungsrechtliche Grundlage zu schaffen, unterstreicht der Minister. Das Schutzinstrumentarium des Luftsicherheitsgesetzes müsse dafür gleichermaßen gelten.
Schäuble hob hervor, dass er mit seinem Vorstoß lediglich Fehler der früheren rot-grünen Bundesregierung verfassungsrechtlich "reparieren" wolle. Der Minister bringt zugleich den höchst umstrittenen möglichen Einsatz der Bundeswehr im Innern zur Abwehr terroristischer Angriffe ins Spiel. Mit dem Hinweis auf die Fähigkeiten der Streitkräfte, über die Polizei und andere Sicherheitsdienste nicht verfügen, meint Schäuble: "Auch bei Abwehr von Gefahren von der See her ist es tatsächlich so, dass niemand außer der Marine überhaupt in der Lage ist, solche Gefahren abzuwehren".
Rechtlich und verfassungsmäßig ist mit den Überlegungen Schäubles nach Aussage von Parlamentariern "alles im Fluss". Möglich sei zum Beispiel, dass im "Maritimen Sicherheitszentrum" auch ein Verbindungsoffizier der Marine vertreten sei und eine rechtliche Möglichkeit geschaffen werde, dass Marineeinheiten auch innerhalb der deutschen Zwölf-Meilen-Zone auf See zur Abwehr terroristischer Gefahren operieren könnten.
Schäuble hat stets klar gemacht, dass es ihm um den "optimalen Schutz" der Bevölkerung geht. Darin sind sich alle Politiker einig. "Aber der Weg, um das über ein abgestimmtes Luftsicherheits- und Seesicherheitsgesetz zu erreichen, wird noch sehr schwierig sein", sagt ein innenpolitischer Bundestagsexperte.
(ddp)
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