Anfang November kam ein Beitrag zur momentanen Integrationsdebatte in Deutschland von eher ungewöhnlicher Seite: Der Zentralrat der Armenier in Deutschland ZAD forderte eine “neue Integrationsdebatte”.In einem offenen Brief an den deutschen Präsidenten Christian Wulff wies der Zentralratsvorsitzende Azat Ordukhanyan auf die politische Einflussnahme auf Religionen hin, da die Politik die Religion „ausbeute“. In diesem Punkt weiche die Debatte bisher aber aus. Ordukhanyan sieht die Christenverfolgungen in der Türkei in engem Zusammenhang mit der Leugnung des Völkermordes an den Armeniern durch die offizielle Türkei – mit gravierenden Auswirkungen auch auf Deutschland. In den dortigen türkischen Gemeinschaften hätten demokratische Strukturen keine Chance, solange der Völkermord geleugnet werde. Denn durch die Leugnung würde Völkermord als legitimes Mittel der Politik akzeptiert.
Dass die Türken in Deutschland tatsächlich Probleme mit der Anerkennung des Genozides an den Armeniern haben, offenbarten zuletzt die massiven Proteste gegen die staatlichen Förderungen des Lepsius-Hauses in Potsdam. Johannes Lepsius war ein deutscher Priester der sich zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts massiv für die Armenier im Osmanischen Reich einsetzte und die erste große Dokumentation über den Völkermord verfasste. Die Türkische Gemeinde in Deutschland TGD protestierte 2007 in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen die staatliche Förderung in der Höhe von 600 000 Euro: “Die Türken in Deutschland sind traurig und entrüstet, dass die Bundesregierung eine solche Gedenkstätte fördert.“
Der Vorsitzende der TGD Kenan Kolat wollte außerdem erreichen, dass der Vorwurf des Völkermordes aus Unterrichtsmaterialien gestrichen wird. Derartige Aussagen würden dem inneren Frieden abträglich sein und türkische Schüler unter psychischen Druck setzen. Hinter der Kampagne gegen das Projekt wurde die türkische Botschaft in Berlin vermutet, die dies auch nicht explizit bestritt. Eine etwas subtilere Art der Einmischung in die Angelegenheiten des Gastlandes, als zuletzt der türkische Botschafter in Österreich versuchte – keineswegs aber eine bessere.
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