Sunday, March 10, 2013

Quo Vadis, Italien: Zwischen Bersani und Berlusconi

Tripple-B-plus mit Aussicht negativ - mit diesem Urteil hat die Rating-Agentur Fitch den anhaltenden italienischen Dreier-Patt am Downgrade-Freitag finanzpolitisch ins Wochenende geschickt.
Wesentliches Argument für eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit des italienischen Staates an den obersten Rand der untersten Stufe in der Gruppe der Renditeanlagen war die anhaltende politische Instabilität, die weder eine rasche noch eine wirkungsvolle Lösung der Staatsschuldenkrise in der Euro-Zone verspricht, so Fitch´s in ihrer Begründung.
Weder Genosse Barrosso (“Das Schlimmste liegt hinter uns!”) noch Herr Van Rompompom (“Mehr Europa!”) waren am Freitag in dieser Angelegenheit zu sprechen. Es wird ja bekanntlich auch schon am Donnerstag das Wochenende eingeläutet beim “Projekt”. Wie schön, dass im öffentlichen Dienst wenigstens die Fünfunddreißeig-Stunden-Woche noch immer funktioniert.
Fitch´s tröstete sein Publikum mit der Hoffnung, dass noch nicht aller Tage Abend sei: Italien habe noch immer eine vielfältige Wirtschaftslandschaft und verfüge sowohl Pro-Kopf als auch relativ zur Wirtschaftsleistung über die üppigsten privaten Sparguthaben in der gesamten EU. Naja, noch etwas “Mehr Europa”, und auch damit ist bald Schluss.
Sorge bereitet Fitch´s allein das anhaltende Wachstum der italienischen Staatsverschuldung auf offizielle 130% des BIP in 2012; diese Entwicklung begründe den negativen Ausblick. Italien, immerhin die drittgrößte Nationalökonomie der Euro-Zone, gilt somit für den Moment als zufriedenstellende Investition – mit einer deutlichen Betonung auf “für den Moment”.
Sirenengesänge und politische Nachhaltigkeit
Zur selben Zeit umwirbt Wahlsieger Bersani, noch immer König ohne Land, äh: Premierminister ohne Koalitionspartner, die Grillisten. Wie es heißt nicht ohne Resonanz. Etliche von Beppes Internetaktiven haben bereits genug von Bersanis Sirenengesängen gelauscht, um sich eine Karriere im Dienst der “Politik” und des Staates recht sympathisch ausmalen zu können oder zumindest ausmalen zu wollen.
Ob sie sich, dem antiken Beispiel Odysseus folgend, die Ohren mit Wachs verschließen und sich an “ihren” Beppe (in seiner Funktion als aufrechter Mast ihrer “Bewegung”) fesseln lassen werden, um nicht mürbe zu werden und auf die Verlockungen des Establishments von “Mitte-Links” hereinzufallen, ist ungewiss. Ebenso, ob der Fünf-Sterne-Nachen nun an Berlusconi oder Bersani zerschellt.
Wie das ist, wenn Menschen mit persönlichen Ambitionen nicht nur ideell, sondern auch materiell unter Dach und Fach gebracht werden wollen, davon können bestimmt auch die Grünen in Germany ein Liedchen singen. Fragt sich bloß, ob den Grillisten danach ist, sich deutsche Lieder anzuhören.
Anders als bei den “politischen” New-comern südlich der Alpen hat der “lange Marsch durch die Instanzen” der deutschen “Alternative” immerhin lukrative Positionen im höheren und gehobenen Dienst in ausreichender Zahl eingetragen, um ihr Personal jederzeit bei der Stange halten zu können.
Die Gelegenheit zur Selbstbedienung bei Vater Staat nach “alternativem” Vorbild hatte die Fünf-Sterne-Bewegung selbstverständlich noch nicht, aber sie hätte sie wohl ganz gerne. Irgendwie muss das Leben ja weitergehen, vor allem, wenn man plötzlich Abgeordneter oder Senator geworden ist (sei es auch nur, weil man Beppe Grillo mal auf Facebook geliked hat, und das dann auch noch versehentlich).
Die Italiener haben also in ihrer “Politik” letztlich nichts anderes gemacht, als das, was sie auch sonst sehr gut können: Sie haben einen Verkehrsstau produziert. Nicht, dass die Brüsseler Beamtendiktatur derartige Blockaden nicht verdient haben würde. Aber es dreht sich in der “Fünf-Sterne-Bewegung” inhaltlich doch mehr um den Spaß am Geldausgeben als um Freedom & Democracy.
Nun ist die Forderung nach einem Referendum über die italienische Finanzpolitik natürlich eine feine Sache. Die Frage ist bloß, was mit diesem Referendum erreicht werden soll. Die Weihnachtsgänse hätten schließlich auch niemals für Weihnachten gestimmt (außer in Deutschland vielleicht).
Immerhin wird man mit der Aussicht auf “Mehr Grillo” in Berlin aber ein paar Milliönchen mehr vom Geldbaum schütteln können, als ohne die “Bewegung”. Jaja, kennst Du das Land, wo die Millionen blüh´n... es müssen ja nicht immer Milliarden sein! Immerhin braucht Italien jetzt doch bestimmt auch “Mehr Zeit, um seine Hausaufgaben zu machen” - nicht wahr, Frau Doktor, Herr Schäuble? Und wir alle brauchen doch “Mehr Europa” - so dringend, wie ein Loch im Kopf.
Es muss nicht immer Monti sein
Auch das Politbüro der EUdSSR, die Genossen Barrosso, Draghi und Van Rompompom, würden es wohl sehr gerne sehen, wenn die Italiener bei nächster sich bietender Gelegenheit (und die kann sehr schnell gegeben sein), wieder einen Technokraten vorgesetzt bekämen, der die rigiden Vorgaben aus der EU-Zentrale erfüllt; am besten in einem Anfall von freiwilliger Selbstkontrolle, in demokratischer Wahl.
Ein zweiter Wahlgang (frühestens drei Monate nach dem ersten) würde jedoch nicht zwangsläufig das Ergebnis produzieren, das den “politischen” Erwartungen des EU-Überstaates besser entspricht: Die Zustimmung zum Movimiento Cinque Stelle ist nach wie vor im Wachsen begriffen. Aktuell würden 28% aller Wahlberechtigten den Grillisten vertrauen.
Seine Selbstinszenierung als den niederen politischen Gefilden entrückte Sphinx hat sich für Beppe bereits in den ersten zwei Wochen in Umfragen mit drei Prozent rentiert; bei der Wahl hatten ihn “nur” 25% gewählt. Was nichts anderes bedeutet, als das sowohl Bersani als auch Berlusconi nach der nächsten Wahl nur als Juniorpartner bei Beppe einsteigen können. Lalala...
Weil das natürlich auf gar keinen Fall im Interesse des Politbüros der EUdSSR sein kann, wäre jeder anderen Option als Neuwahlen der Vorzug zu geben. Und was wäre schöner, als eine “Protest-Partei” in die Verantwortung einzubinden, damit sie sich als das demontiert, was sie niemals sein wollte oder sein sollte, “Teil des Systems”? Vor den Augen des Elektorats, versteht sich.
So oder so ähnlich geht das politische Kalkül des EU-Politbüros, das sich nach seiner letzten Sitzung am Dienstag so derartig fest auf die Unterlippe gebissen hat, dass nur ein ausgesprochen schmallippiger Kommentar zum Ergebnis der Italien-Wahl herausgekommen ist: Man könne da ja doch nichts tun. Was natürlich Unsinn ist, denn wie jeder Jura-Student im ersten Semester weiß, ist es unmöglich, sich nicht zu verhalten, weil auch Unterlassung eine Handlung ist.
Politik ist, wenn man trotzdem lacht
Bleibt die Aussicht, dass der Hofnarr das bleibt, was er immer sein wollte: “außerhalb des Systems”. Sonst wäre er ja auch kein Hofnarr mehr. Kann sein, dass ihm dabei die nicht nur ideellen, sondern eben auch materiellen Ambitionen seiner Anhänger in die Quere kommen – oder zur Hilfe?
Es muss ja nicht gleich die Spaltung der ganzen “Bewegung” sein. Nicht, dass Beppe das aufgrund seiner Sympathie für den “Arabischen Frühling”, seiner Solidarität mit den Islamisten in Syrien und seiner freiflottierenden “Palästina-Solidarität” nicht verdient hätte. Aber derlei Überlegungen fallen bei seinen Fans kaum ins Gewicht, und wenn doch, dann vielleicht ganz anders, als Sie und ich sich das vermutlich wünschen würden, liebe Leserinnen und Leser.
Es ist manchmal besser, den Kindern ihren Willen zu lassen. Wenn sie sich erst ein paar mal am Eis überfressen haben und vom Baum gefallen sind, sind natürlich die Eltern schuld (wer etwas anderes erwarten würde, war selbst kein Kind). Aber es reicht meist die eine oder andere heilsame Lektion.
Insofern hätte es auch sein Gutes, Beppe als seinen eigenen Hofnarrn zu engagieren, damit eins endlich klar ist: Demokratie lebt vom Mitmachen, genau wie Mobbing (Kapitalismus übrigens auch). Vor allem aber: Es gibt keine Standpunkte “außerhalb des Systems”.
Damit ist nicht gesagt, dass eine Emanzipation vom Diktat des Brüsseler Politbüros für viele Länder in der EU nicht die richtige Option sein könnte. Spanien und Portugal wären sicherlich nicht in die Lage geraten, in der sie jetzt sind, hätten sie ihre Währungsfragen selbst entscheiden müssen, oder wären zumindest schon lange wieder aus der Krise rausgekommen.
Die "Fünf-Sterne-Bewegung" hat die richtige Frage gestellt, ist aber wohl kaum die richtige Antwort darauf. Die Wut hat ein “politisches” Vakuum produziert, das entweder unter seinem eigenen Druck implodiert oder sich in ein paar prickelnde Perlen auflösen wird, in einem Cocktail, den die Zukunft produziert.
Gerrit Liskow via haolam

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