Der lang andauernde Niedergang von Frankreichs politischer Klasse und
ihre Abwendung von der Wählerschaft haben den Boden fruchtbar gemacht,
auf dem nun der Front National gedeiht. Wie in anderen westlichen
Demokratien auch wirkt die politische Elite Frankreichs abgehoben,
distanziert und ohne echte Verbindung zum Volk. Die Republikaner und die
Sozialistische Partei haben bereits vor langer Zeit aufgehört, für
große Teile der Gesellschaft zu sprechen. Vielmehr sprechen sie die
Sprache der Elite, der Technokratie, der Wirtschaft und des
Sozialmanagements. Sie haben aufgehört, für Unterstützung und
Legitimität in breiten Bevölkerungsschichten zu werben; stattdessen
suchen sie Zuflucht in den Institutionen der Europäischen Union.
Auch die wirtschaftliche Lage Frankreichs hilft den beiden großen
Parteien nicht gerade. Die Wirtschaftskrise spitzt sich immer weiter zu,
mit einer Arbeitslosigkeit, die erstmals über dem Durchschnitt der
Eurozone liegt. Dabei haben die wirtschaftlichen Schwierigkeiten die
ohnehin vorhandene soziale Spaltung Frankreichs zwischen der regierenden
und der regierten Klasse noch vergrößert. Gerade diese Spaltung bildet
den Nährboden für den Aufstieg des Front National – einer Partei, die
denjenigen zuhört, die von der politischen Elite ignoriert werden. Nicht
umsonst hat sich Marine Le Pen selbst aufgemacht, um die nördliche
Region Nord-Pas-De-Calais-Picardies zu gewinnen. Dies ist eine
wirtschaftlich schwache Region, in der überwiegend Arbeiter, kleine
Landwirte und einfache Angestellte leben. „Das Frankreich der
Vergessenen“, wie es Le Pen bezeichnet.
Sie schafft es offenbar erfolgreich, die Stimmungen dieser Menschen
einzufangen und zu bündeln. Während Hollande und Sarkozy wie andere
westliche Politiker nicht fähig sind, die grundlegenden Werte ihrer
Gesellschaft geltend zu machen und zu verteidigen, erscheint der Front
National als Leuchtfeuer politischer Prinzipien. Da gibt es keinen
Fachjargon und keine Zurückhaltung. Le Pen spricht von „Nation“,
„Souveränität“, davon, Frankreich wieder „Stolz auf seine
Gründungswerte“ zu machen. Sie spricht auch davon, was „echt
Französisch“ ist. Nach den Pariser Anschlägen, als Hollande und Sarkozy
beschwichtigten, schwach wirkten und sich vor mobhaften Erhebungen des
Demos fürchteten, erschien Le Pen stark. Sie war scheinbar bereit, eine
französische nationale Identität durchzusetzen und zu sagen, wofür
Frankreich stehe. Wie es ein ehemals sozialistischer Front
National-Unterstützer ausdrückt: „Marine Le Pen ist die einzige, die
heute noch die Republik verteidigt“.
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