Sunday, July 24, 2016

Drei Fragen zu München

Wenn ein 18-Jähriger, ausgestattet mit einem iranischen und einem deutschen Pass, innerhalb weniger Minuten neun Menschen erschießen und wenigstens 16 weitere teils schwer verletzten kann, wirft das vor allem drei Fragen auf.
  1. Über welche Waffe oder Waffen verfügte der Jugendliche? Allein mit einer Pistole hätte die Tat nur ein geübter Schütze ausführen können; und auch der hätte wenigstens einmal nachladen oder eine zweite, vielleicht sogar eine dritte Pistole bei sich haben müssen. Was kam also zum Einsatz?
  2. Wie ist der Täter an die Waffe gekommen? Schließlich ist der freie Handel mit Waffen in Deutschland verboten. Also: Woher und von wem bekam er die Tatwaffe samt Munition? Schließlich muss er angesichts der Zahl der Opfer einiges verschossen haben.
  3. Wie kam er an das Geld für den Erwerb von Waffen und Patronen? Alles in allem schätzungsweise ein wenigstens vierstelliger Betrag. Oder musste er gar nichts bezahlen, weil ihm die Ausstattung für ein bestimmten Zweck zur Verfügung gestellt wurde?
Dass die Polizei diese Fragen erst nach längeren Ermittlungen wird beantworten können, ist ihr nicht vorzuwerfen. Aber warum kommt in der Öffentlichkeit, insbesondere bei ARD und ZDF, niemand auf die Idee, solche Fragen nüchtern aufzuwerfen. In keiner Nachrichtensendung, in keinem Interview, nirgends wird ein Gedanke daran verschwendet. Dabei fehlt es den Kollegen gewiss nicht an der nötigen Sendezeit. Seit dem gestrigen Abend sind sie mit der Berichterstattung über den Münchner Anschlag nahezu nonstop auf dem Schirm.
Ständig gibt es irgendeine Live-Schalte zu den ausgeschwärmten Reportern. Einer nach dem anderen werden sie wieder und wieder gefragt, wie sie die Situation am Ort „erleben“, was „die Menschen fühlen“, wie es in der Stadt aussieht, was sie für „einen Eindruck“ macht. Politiker bekunden ihr „Entsetzen“ und ihre „Anteilnahme“. Angela Merkel lässt den Hinterbliebenen der Opfer  sogar ihre „persönliche Anteilnahme“ ausrichten. Kennt sie die Angesprochenen so persönlich, dass sie „persönlich“ Anteil nehmen kann?
Das alles mag Ausdruck einer gewissen Hilflosigkeit und durchaus gut gemeint sein, sich dem aufrichtigen Bemühen verdanken, Trost zu spenden. Und dennoch hinterlässt es den Eindruck von Ausweichmanövern, weil nicht zugleich das Naheliegende erörtert wird. Vermeidet man Fragen, weil sich dabei womöglich herausstellen könnte, dass es sich um ein Attentat handelt, zu dessen organisatorischer Vorbereitung es mehr bedarf als der Wut eines Irrsinnigen, des spontan ausgemachten Einzeltäters?
Natürlich weiß zur Stunde noch niemand, wie und mit welcher Absicht der Mordanschlag vorbereitet, organisiert und ausgeführt wurde. Dass es ein terroristischer Akt mit islamischen Hintergrund gewesen sein könnte, ist aber nicht weniger unwahrscheinlich als die These von einem Amokläufer, der auf eigene Faust um sich schoss. Deshalb wäre es ein Gebot journalistischer Redlichkeit, endlich auch die Fragen nach der technischen Ausrüstung des Mörders ins Gespräch zu bringen, zu überlegen, wie und von wem er seine Waffen bezogen haben könnte. Ganz egal, was dabei heraus käme, es wäre erhellender als die aneinander gereihten Einschätzungen aller möglichen Experten zur geistigen Verfassung von Amokläufern.
Denn auch für die Medien gilt, wer sich dümmer stellt, als er es nach der Lage der Dinge sein kann, erregt den Verdacht der Manipulation.
achgut.com / Thomas Rietzschel

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