Die öffentlich rechtlichen Fernsehprogramme „sind keine
Nachrichtensender“, so Claus Kleber am Wochenende in einem Gastbeitrag
für die Süddeutsche Zeitung. Ihre Aufgabe könne sich nicht darin
erschöpfen, aktuell, umfassend und unabhängig über das Tagesgeschehen zu
berichten. Vielmehr böten ARD und ZDF ein Vollprogramm, Sport,
Unterhaltung, den „Tatort“, Tier- und Pflanzenfilme, Talkshows mit Pfiff
und aggressivem Schlagabtausch, dazu Quiz- und Kochsendungen, „Leute
heute“, Volksmusik mit Florian Sibereisen und Helene Fischer auf großer
Bühne. Alles in allem eine Vielzahl unterschiedlichster Sendungen, bei
denen sich die Zuschauer wohlfühlen sollen. Ohne dieses breite Angebot,
erklärte Claus Kleber weiter, hätten auch „unsere Nachrichtenangebote
nicht jeden Tag zig Millionen Zuschauer“.
Mit anderen Worten, die Nachrichtenportale, heute und heute journal,
Tagesschau und Tagesthemen, sind Trittbrettfahrer des öffentliche
rechtlichen Entertainments. Ihrerseits müssen sie darauf sehen, den
Zuschauer unterhaltsam bei der Stange zu halten, und das nicht nur,
indem sie das Pult verlassen, um die Nachrichten des Tages als
Spaziergänger im Studio an den Mann zu bringen. Mehr noch haben die
Redakteure, die Anchormen oder -women bei der Auswahl, der Platzierung
und der Darbietung der Ereignisse, über die sie informieren, darauf zu
achten, dass sie ihr Publikum nicht verschrecken. Um den Zuschauer
nicht allzu sehr zu verunsichern, müssen harte Fakten emotional
verschleiert, unter Umständen aussortiert werden. Keinesfalls dürfen sie
so nüchtern sachlich „rüberkommen“, dass sie den Bürger um den Schlaf
bringen könnten. Das wäre der Super-Gau im öffentlich rechtlichen
Fernsehen.
Schon wenige Stunden nach dem Mordanschlag von München am vergangenen
Freitag beeilten sich ARD und ZDF Lageberichte zu senden, die den
Gedanken an einen terroristischen, gar einen islamischen Hintergrund der
Tat ausschlossen. Polizeibeamte und Politiker, die das in Windeseile
ermittelt haben wollten, waren permanent auf Sendung, mit den immer
gleichen Worten. Dazu kamen die Statements von „Experten“
des Terrorismus und der Psychologie, die uns weismachen wollten, dass
das gar nicht sein könne, weil es sich bei dem Täter iranischer Herkunft
um einen psychisch gestörten Jugendlichen handelte, der Stunden zuvor
durch eine Abiturprüfung gefallen war.
Außerdem erfuhren wir, auch jeder Deutsche könne sich die für eine
solche Tat notwendige Waffe ohne Mühe im Internet bestellen und per Post
nach Hause liefern lassen. Dass aus der großkalibrigen Pistole, einer
Glock, unterdessen eine umgebaute Schreckschusspistole geworden ist,
spielte nachher schon keine Rolle mehr. Galt es doch ohnehin erst einmal
zu trauern und Bilder von Münchnern zu zeigen, die sich weinend in den
Armen lagen. Wieder und wieder wurde ihre beispielhafte „Solidarität“
mit den Opfern und deren Angehörigen hervorgehoben.
Das beanspruchte dann gestern so viel Sendezeit, dass in der
abendlichen Tagesschau sowie im heute journal nur noch wenige Sekunden
für den Hinweis auf ein weiteren Mordanschlag blieben. Vermeldet wurde,
im baden-württembergischen Reutlingen habe ein 21-Jähriger mehrere
Menschen mit einer Machete angegriffen und eine schwangere Frau tödlich
verletzt. Aber auch da stand bereits um 20.00, gut dreieinhalb Stunden
nach der Tat, fest, dass es sich nicht um einen Terroranschlag handelte.
Weder für die Tagesschau noch für das später gesendete heute Journal
bestand der geringste Zweifel an der Tat eines Einzelnen mit psychischen
Problemen.
Von einer Beziehungstat war bald die Rede. Mit wenigen
Worten zauberte das öffentlich rechtliche Fernsehen eine Love-Story mit
tragischem Ende aus dem Hut. Romeo und Julia in Reutlingen? Warum aber,
wenn dem so ist, wurde kein Wort über die Identität der Täters verloren,
eines Syrers, der nach abgelehntem Asylantrag noch geduldet in der
Kleinstadt lebte. Fürchtete man, die Häufung der Mordanschläge durch
Männer, die aus der islamischen geprägten Welt zugewandert sind, würde
erneut Zweifel an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung wecken?
Ließ man da einiges unter den Tisch fallen, um der Vermutung
vorzubeugen, die Kanzlerin könne mit ihrer selbstherrlich verfügten
Grenzöffnung um sich greifenden Gewalttaten Vorschub geleistet haben?
Sicher hat Claus Kleber Recht, wenn er schreibt: „Wir empfangen -
entgegen anderslautenden Behauptungen aus Lügenfressen - keine Anweisung
‚von oben‘.“ Dessen bedarf es gar nicht mehr. Das deutsche
Staatsfernsehen handelt so schon in vorauseilendem Gehorsam. Bei ARD und
ZDF hat man die Erwartungen der Bundesregierung bereits derart
verinnerlicht, dass die Nachrichtenverkäufer von sich aus peinlichst
darauf achten, alles auszublenden, was ihren Dienstherren missfallen
könnte.
Nun will man deshalb nicht gleich so weit gehen, Claus Kleber und
seine Kollegen unsererseits als „Lügenfressen“ zu beschimpfen;
Handlanger sind sie allemal.
achgut.com / Thomas Rietzschel
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