Wednesday, May 01, 2013

Italiens neuer Premier: Signore Letta und wie er die Welt sah

von Gerrit Liskow
Letta ist nicht nur eine moderne Halbfettmargarine, sondern seit immerhin drei Tagen der amtierende italienische Ministerpräsident in einer Regierung der “nationalen Einheit”. Das ist etwas, was man in Rom zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg hatte und was auch Germany ab September ins Haus stehen kann, wenn es mit Frau Merkel und den Grünen wider Erwarten nicht klappt.
Herr Lettas Koalition setzt sich aus der Monti-Partei ohne Monti und der Berlusconi-Partei ohne Berlusconi zusammen. Nicht nur Margarine, sondern auch Bungabunga gibt´s jetzt also mit nur halb so viel Fett.
Und so bekommt jeder, was er will: einen wirtschaftspolitischen Diätplan à la Monti (jetzt nur eben ohne Monti, der in Rom so beliebt war wie eine verschwitzte, juckende Perücke im Hochsommer). Und ein paar Melodien für Millionen, angestimmt von DJ Silvios Partei, damit der Diätplan besser rutscht -- was anderes zu essen gibt es nämlich nicht.
In Berlin wurde die Neuigkeit mit Erleichterung aufgenommen. Bereits heute (Dienstag) weilt der frischgebackene Herr Letta in Berlin, um sich seine Marschbefehle abzuholen. Schließlich hat der angebliche Ministerpräsident seiner dem Namen nach souveränen Nation bereits ein Ende der Diät prognostiziert – wovon Frau Dr. Merkel jetzt aber auf einmal nicht mehr viel wissen will.
Italien, daran ist zu erinnern, hat seit 2008 fast 7% seiner Wirtschaftsleistung eingebüßt und befindet sich 14 Jahre nach dem gescheiterten Freilandversuch mit dem “Euro” auf einem sozio-ökonomischen Niveau, dass es zuletzt 1998 hatte. Angesichts dieser Daten kann man sicherlich vieles behaupten. Nur eben nicht, dass “Europa” ein durchschlagender Erfolg gewesen wäre für das Land, wo die Zitronen blühn´n. Sieht so aus, als könnte das Mindesthaltbarkeitsdatum der Sparpolitik abgelaufen sein.
Dann sollen sie doch Kekse essen!
Währenddessen wird im Elysée-Palast, der französischen Kopie des Kremls von 1954, nicht gekleckert, sondern geklotzt. Die Straßen der Grande Nation sind nach zwei Jahren sozialistischer Tenure so dick mit Kaviar bestrichen, dass man darin ausrutscht. Und man kann sich auch keinen vernünftigen Tee mehr kochen, weil aus allen Wasserhähnen nur noch Champagner fließt. Das ist der Sozialismus, den ich meine, verehrte Leserinnen und Leser.
Den Franzosen geht es nach zwei Jahren im Chez Monsieur so gut, wie noch nie – oder? Will die Freude etwa schon wieder keinen Anfang finden? Ist den Froschfressern wieder gar nichts gut genug? Sie haben doch nun alles, was sie wollen, die lieben Co-Europäer: Die Drei-Tage-Woche (man soll sich das Leben auch nicht durch Arbeit verderben!), eine Reichensteuer (Gérard Dépardieu, mon amour) und einen sozialistischen Président – den sonst keiner haben wollte. Santé!
Wen stört da noch die Kleinigkeit von knapp vierzehn offiziellen Prozent Arbeitslosigkeit? (Realistisch ist wohl das Doppelte). Immerhin – wie war doch gleich das Motto der französischen Beamtenkrawalle des Jahres 2008/9? “Wir zahlen nicht für Eure Krise”. Das haben Millionen von Staatsdienern und andere “linke” Jungspießer geschrien, als sie gegen “Wall Street” über die Boulevards gewackelt sind. Naja, “zahlen” tun diese Leute wirklich nichts, und gezahlt haben die in ihrem Leben noch nie etwas. Zahlen müssen und mussten immer diejenigen Millionen, die nicht beim Staat beschäftigt sind – tant pis! Warum für einen Lebensunterhalt arbeiten, für den man auch wählen gehen kann?
Love for sale!
Nicht, dass es anderen Nationen besser gegangen wäre. In Spanien hat der Imobilienmarkt 30% des Wertes verloren und wird bis zum Ende des Jahres um weitere zehn Prozent leichter gemacht. Dabei handelt es sich selbstverständlich um privaten Besitz, denn in Spanien wohnt so gut wie keiner zur Miete. Gegen diese Vernichtung von privaten Guthaben sieht sogar die “Zypern-Rettung” wie ein mildtätiges Werk für Waisenknaben aus.
Nicht, dass es den Spaniern geholfen hätte, dass sie alle miteinander etwas leichter gemacht worden sind. Die Arbeitslosigkeit hat erneut einen traurigen historischen Höchststand erreicht: Im Durchschnitt sind aktuell 27% aller Spanier ohne Möglichkeit, sich ihren Lebensunterhalt zu erwerben. Bei den jungen Leuten liegt der Wert mehr als doppelt so hoch, bei 57%. Das hat unterschiedliche Konsequenzen. Eine davon: Es garantiert jeder Art von “Sozialstaat” die automatische Mehrheit bei kommenden Wahlen. Komisch, dass die “linken” Parteien immer so leidenschaftlich für “Europa” sind – oder etwa nicht?
Viele haben Spanien bereits verlassen, um irgendwo Arbeit zu finden, und sind nach Groß Britannien oder Deutschland emigriert. Es zeichnet sich ab, dass es wieder eine verlorene Geneartion geben wird, denn sogar nach den selbstgefälligen Prognosen, die Granden der EZB unlängst in der New York Times veröffentlichten, kann die “Euro-Rettung” noch zehn, fünfzehn Jahre dauern. Wahrscheinlich sind zwei oder drei Stagnationsdekaden à la Japan.
No sex please, we´re British!
Eine ähnliche “Wertkorrektur” der Privatvermögen ist im Vereinigten Königreich gerade durch massives “quantitative easing” geschehen. Das ist nicht nur Englisch, sondern sogar Bank of Englisch. Und heißt doch nichts anderes als Gelddrucken. Nämlich so: Der Schatzkanzler Ihrer Majestät darf sich jedes Jahr rund 120 Milliarden Pfund von einem famosen Monetendealer in der Threadneedle Street liefern lassen, damit der Staatshaushalt ausgeglichen bleibt. Ergebnis: Es riecht wie ein Pfund, es schmeckt wie ein Pfund - es tut nur leider nicht mehr genau das, was auf der Packung steht. Versuchen Sie mal, mit zehn Pfund bei Tesco oder Asda einkaufen zu gehen, verehrte Leserinnen und Leser.
Die Weisheit der britischen Finanzpolitik werden kommende Generationen beurteilen müssen. Immerhin kann Groß Britannien sich derlei Eskapaden “politisch” leisten, zumal das Land nicht Teil der Euro-Zone ist und auch aus der EU lieber gestern als heute ausgetreten wäre. Zumindest, wenn man den 69% aller Briten glaubt, die von sich behaupten, dass sie gegenüber “Europa” eher skeptisch sind. Das wird übigens nur noch von den Spaniern übertroffen, die zu 72% dieser Ansicht sind. http://www.betteroffout.net/trust-in-the-eu-hits-rock-bottom/
Die Deutschen liegen in derselben Umfrage mit 59% im anti-europäischen Mittelfeld, könnten sich aber zu 24% vorstellen, eine “euroskeptische” Partei zu wählen. Nun ja, bei der “Europa”-Reformpartei “Alternative für Deutschland” mögen angesichts solcher Zahlen schon mal die Sektkorken knallen. Bloß vorstellen kann man sich aber als Wähler so manches, sogar kleine grüne Männchen (und Frauchen!) auf dem Mars.
Die “Politik” gewordene Alternativlosigkeit
Was nun insbesondere die deutsche “Europa”-Politik so bemerkenswert deprimierend macht, ist die Grunddannahme, auf der sie basiert: Dass alle anderen Leute auf dem Kontinent geistig mindermittelte Deppen wären, die nicht merken, was passiert. Was mit Millionen von “Europäern” in der Peripherie indes tatsächlich gespielt wird, konnte sogar dem völlig spaßbefreiten Chef der EU-Arbeitsbehörde nicht ganz und gar entgehen.
Laszlo Andor brachte die Mechanik deutscher “Wachstumspolitik” treffend auf den Punkt, als er von “Lohndumping” sprach. Diese Politik der verbrannten Erde hat mal wieder millionenfaches Elend auf dem Kontinent produziert. Selbstverständlich will es in Berlin (und im Rest der Republik) keiner gewesen sein. Im Gegenteil: Man findet es in Germany sogar ganz richtig so, dass man in “Europa” qua “Euro” auf die Knochen anderer Leute lebt. Und brüht sich als “Europäer”, im selbstgefälligen Wahn moralischer Wiedergutwerdung, dafür dann auch noch seinen “fair” gehandelten Bio-Kaffee auf. Die Deutschinnen und Deutschen sind wirklich unverbesserlich.
Es war indes Roman Herzog einmal ein Bundespräsident, der vor vielen Monden recht plötzlich und scheinbar unvermittelt aus der ”politischen” Mode kam, als ihm öffentlich dämmerte, dass wir um so weniger in einer parlamentarischen Republik leben, je mehr wir mit der Brüsseler Beamtendikatur kolaborieren.
Und es ist ja nicht so, dass “Europa” tasächlich der “dynamischste und leistungsfähigste Wirtschaftsraum der Erde” geworden wäre, nur weil das Politbüro der EUdSSR diese Parole ausgerufen hat. Was nebenbei illustriert, dass zivile und ökonomische Freiheiten jene zwei Seiten einer Medaille sind, von denen die eine nur um den Preis der anderen zu haben ist. Eine Parole übrigens, wegen der man sich in China, Indien und Brasilien heute nur noch Gesundheit wünscht, wenn jemand “Europa” sagt. Eine Parole, an die man in Brüssel und Berlin aber heute noch glaubt, obwohl von der Weltbank bis zur OECD so gut wie jede ernstzunehmende Institution “Europa” im globalen Wettbewerb inzwischen unter “ferner liefen” verbucht.
Zu Illustrationszwecken: Entfielen 1990 noch 27% des globalen Bruttosozialprodukts auf die EU, sind es heute nur noch derer 11% - und das, obwohl aus damals elf Ländern inzwischen ein ”Europa” der 27 geworden ist. Nun ja, man kann zwei Einbeinige zusammenbinden und es wird trotzdem kein Sprinter daraus, aber erzählen Sie das mal der EU, liebe Leserinnen und Leser.
You´ll never walk alone?
Indien, China und Brasilien haben die EU und die USA in der Entwicklungsynamik längst überholt. Ostasien entwickelt sich seit Jahrzehnten prächtig und Afrika holt in den letzten Jahren sehr schnell auf. Der Kapitalismus entwickelt sich prächtig und beschert Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt historisch nie dagewesene Freiheiten und Fortschritte; sofern sie nicht das Pech haben, ihr Leben in Nordkorea, Venezuela oder “Europa” zu verbringen.
Selbstverständlich ist das nichts, was auch nur ansatzweise mit der offiziellen deutschen “Politik” vermittelbar wäre. Da werden die beiden Steinläuse von der SPD ihre Sirenengesänge darüber anstimmen, dass “Euroskepsis” nur ein Ausdruck davon wäre, dass man nicht richtig “teilen” möchte. Erst, wenn es allen gleich schlecht geht, ist es wirklich “gerecht”, hurrah. Wenn man die Wegelagerermentalität der SPD christlich genug verbrämt, kommt aus den üblichen sozialdemokratischen Solidaritätsadressen und Durchhalteappellen übrigens etwas heraus, das mit der anderen, der christlichen Sozialdemokratie (der CDU des “Deutschlands in Europa”), sehr gut vermittelbar ist.
Ergebnis: Ein diffuses Sowohl-als-auch von Sparen, wo es allen wehtut (Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 22%), und Geld ausgeben, wo es keinem was bringt (“Energiewende” und anderer Öko-Mumpitz, den man auch von der CDU bekommen kann). Das wäre das Regierungsprogramm der Afghanistan-Koalition aus schwarz-rot-grün, ab September dann in Ihrem Kino.
Oh, apropos: Das ist genau der Weg, den Herr Letta jetzt in Italien geht, mit seiner kruden Mischung aus Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Subventionierung der “grünen” Industrie. Vielleicht kann er auch Frau Dr. Merkel einen neuen Gurkenhobel verkaufen? Was kann jetzt noch schief gehen!

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