Thursday, March 09, 2006

»Die SPD, juchhee, juchhee, juchhee!«


Anmerkungen zum Humor der Linken. von gerhard henschel

Zur humoristischen Grundausbildung linker Nachwuchskräfte gehörte in den siebziger Jahren die Lektüre der »Radikalauer«, die Winfried Thomsen in konkret veröffentlichte: »Zuviel Nazi-Spielzeug. Minister Vogel besorgt. Sich auch was.« Oder: »Die Autoindustrie will jetzt mehr Demokratiewagen.« Oder: »In Bayern wird ein neuer Ministerpräsident trinkend gesucht.« Noch beliebter waren Chlodwig Poths Bildergeschichten aus dem progressiven Alltag und Gerhard Seyfrieds »Leitfaden durch die Geschichte der undogmatischen Linken«, dessen Cartoons und Vignetten 1978ff. das Layout jeder besseren westdeutschen Schülerzeitung dominierten. In Fragen des geistigen Eigentums verfuhr man noch laxer als Bertolt Brecht – wenn Seyfried so verrückt gewesen wäre, das Honorar für jede nachgedruckte Zeichnung eintreiben zu wollen, der hätte mehr zu tun gehabt als ein einarmiger Hütchenspieler.
Den komischsten Beitrag zum Weltkulturerbe des dezidiert linken Humors jener Jahre haben wir jedoch, wie sollte es anders sein, den Yankees zu verdanken. Gilbert Shelton und seinen unsterblichen »Freak Brothers« Freewheelin’ Franklin, Phineas und Fat Freddy (und dessen Kater), denen der notorische Drogenfahnder Norbert immer wieder vergeblich ein Schnippchen zu schlagen versuchte. Die »Freak Brothers« waren nicht viel geschickter als ihre Gegner aus dem bürgerlichen Lager. Fat Freddy, der als Mitläufer bei der Erstürmung einer Bibliothek nach »Fickbüchern« suchte, wurde von einer resoluten Bibliothekarin davongejagt und war auch machtlos dagegen, dass ihm sein Kater in die Bude kackte. Dieser gemeine, selbstsüchtige Kater, der seinen Egoismus nie verhehlte und solidarisch klingende Parolen (»MAO!«) nur dann ausbrüllte, wenn ihn jemand brutal am Schwanz zog, wirkt bis heute subversiver als der gute alte Donald Duck in seinen kleinbürgerlichsten Momenten.
Undogmatische Linke konnten aber auch über harmlose einheimische Fabrikate lachen, über »Klimbim«, Papans »Undressierten Mann« im Stern, über Tetsches Bauernregeln, Dieter Hildebrandt, Die 3 Tornados, Otto Waal­kes oder Insterburg & Co.: »Sind Tannennadeln trocken, fall’n sie vom Baum herab. O Mäd­chen, lasst euch locken – auch eure Zeit ist knapp!« Noch knapper kam der Zeitgeist im »Vierparteienlied« von Insterburg & Co. zum Ausdruck: »Die SPD, juchhee, juchhee, juchhee! Die CDU, huhuu, huhuu, huhuu…« So einfach konnte man in der Modernisierungsphase zwischen Mondlandung und Deutschem Herbst ein linkes Publikum zum Lachen bringen. Und es steckt immer noch an, wenn man sich die alten Platten wieder anhört. Das Lustigste an allen kulturrevolutionären Bestrebungen der Apo ist der Umstand, dass sie in den Konzertaufnahmen einer Truppe politisch gänzlich unzuverlässiger Komiker fortleben, während einer der prominentesten Linksradikalen von ehedem heute als Rechtsradikaler herumspinnt.
Im breiten und seichten Mainstream des linken Humors schwamm allerlei Treibgut mit. Die Titanic war noch nicht gegründet worden, ihr Humorkritiker Hans Mentz war noch nicht ins Leben getreten, und es gab noch keinen Katalog der Qualitätsmerkmale für die Erzeugnisse linker Humoristen. Jeder Käse, der nur irgendwie verschwiemelt links roch, wurde gutgeheißen und gefeiert, als tapferer Akt des Widerstands. Und so kam es zu einer Inflation linker Liedermacher und Kabarettisten, die ihre Einfallslosigkeit mit politischer Geradlinigkeit wettzumachen versuchten. Inferiore Witzbolde wie Hans Scheibner, Dietrich Kittner und Martin Buchholz traten ins Rampenlicht, lieferten die entsetzlichsten Wortspiele ab (»Maden in Germany«) und ermunterten Heerscharen mäßig begabter Abiturienten zum Betreten der Kabarettistenlaufbahn.
Der Spaß hörte erst auf, als Eckhard Henscheid 1985 in der Titanic einmal nicht gegen die da oben aufbegehrte oder milde selbstironisch das Gelaber linker Vollidioten persiflierte, sondern einen kapitalen Hirschen aus dem linkssozialdemokratischen Milieu erlegte, den Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch, von dem die Zeilen überliefert sind: »Ich möchte ein Clown sein / Und immer lachen / Ich möchte ein Clown sein / Und andere lachen machen.« Und: »Ich möchte ein klitzekleiner Spaßmacher sein / Ich möchte, dass die Welt mal lächelt / Bevor es zu spät ist«. Und: »Ich will die Vorurteilslosigkeit der Flüsse und die Gelassenheit der Tiere erreichen.«
Vertreter der undogmatischen Linken solidarisierten sich 1985 mit Hüsch und attestierten Henscheid Böswilligkeit, Brotneid, Killerinstinkte und Nazi-Methoden. Das ist lange her. Die Aufregung hat sich gelegt. Aus den Hüsch-Zitaten geht allerdings immer noch unwiderleglich hervor, dass ihr Autor, als er vor gut 20 Jahren mit dem urkommunistischen Gemüt eines klitzekleinen Spaßmachers auf Dummenfang gegangen war, seinerseits einen an der Waffel gehabt hatte.
Die größten Erfolge im Kampf gegen ihre Vergackeierung konnten Jungspunde, die sich für links und fortschrittlich hielten, in den neunziger Jahren verbuchen, als sie in der Hoffnung, Lesungen von Wiglaf Droste verhindern zu können, anonyme Morddrohungen aussandten und Lesungsbesucher verprügelten. Droste galt in gewissen Kreisen als Gottsei­bei­uns, weil er sich in der Titanic in einer Glosse als »Schokoladenonkel« über den kriminalistischen Übereifer linker Sittenpolizistinnen lustig gemacht hatte. Was die wohl heute so trei­ben? Ich kann mir vorstellen, dass sie inzwischen allesamt verbeamtet sind und bereits zum siebenten Mal die FDP gewählt haben.
Das Erbe der linksorientierten Kabarettlangweiler wird bis heute, soweit ich sehe, am getreuesten von Matthias Richling bewahrt, über den ich mir allerdings kein Urteil erlauben darf, weil ich sein Gefeixe und Geschnatter noch nie länger als rund anderthalb Minuten lang ertragen habe. Jedesmal, wenn ich beim Zappen Richling auf dem Bildschirm Faxen machen sehe, wird mir blümerant zumute beim Gedanken an die Menschen, die ihr Leben im Kampf für die Meinungsfreiheit solcher Knalltüten geopfert haben, und noch übler wird mir beim Anblick der allgegenwärtigen Comedians, die das Erbe der Kabarettisten angetreten haben und Zoten über das Sexualleben von TV-Prominenten reißen. Solchen Sittenstrolchen gönne ich es nicht, dass mir ein Hampelmann wie Richling neben ihnen wie ein neuer Tucholsky vorkommt.
Die Rolle der beleidigten Leberwurst haben im 21.Jahrhundert die Islamisten aller Länder an sich gerissen, und die kläglichen Überbleibsel der deutschen Linken helfen sich über ihr Aussterben mit Komplimenten an die Adresse des Systemtrottels Harald Schmidt hinweg, den sie alle gut und lustig finden, weil sie seine perfekte Imitation eines Systemtrottels bewundern. Schmidt ist ein Opportunist, ein begabter Piepmatz, der im Fernsehen als postmoderner Tucholsky umgeht, aber gleichzeitig Reklame für Supermärkte macht und zu feige ist, im »Karikaturenstreit« öffentlich ein gutes Wort für die Pressefreiheit einzulegen, das irgendwelche Religionsrichter im Nahen Osten als gutes Wort für die Pressefreiheit missverstehen könnten.
Ich halte es da doch lieber mit dem großen alten Trendforscher Teddy Hecht: »Humor ist, wenn auch Trotzki lacht.«

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