Prozeßbeginn in Wiesbaden: Anklage wirft türkischem Täter niedere Beweggründe vor - 20jährige hatte deutschen Freund
Wiesbaden - Ein wegen eines sogenannten Ehrenmordes an seiner Schwester angeklagter Türke hat sich zum Prozeßauftakt am Montag im Wiesbadener Landgericht nicht zur Tat geäußert. Laut Anklage soll er die 20jährige im vergangenen Sommer heimtückisch und aus niederen Beweggründen erschossen haben, weil er deren Beziehung zu einem Deutschen als unehrenhaft empfunden habe.
Der 25jährige soll in einer Gartenhütte in Wiesbaden mindestens fünf Mal auf die Frau geschossen haben, davon zwei Mal in den Kopf. Die junge Frau verblutete. Das Gericht hat acht weitere Verhandlungstermine festgelegt, das Urteil wird für Mai erwartet.
Der Rechtsmediziner berichtete im Schwurgerichtssaal von massiven Kopfverletzungen des Opfers. So sei die rechte Schädelseite durch die Schüsse zertrümmert worden. Weiterhin habe die Frau Schußwunden am Brustkorb und an den Händen erlitten.
Nach den Ermittlungen hatte sich der damals 24 Jahre alte Türke mit seiner Schwester im Juni 2005 zu einer Aussprache in der Gartenhütte getroffen. Dort soll er mit einer Neun-Millimeter-Pistole auf sie geschossen haben. Der 28 Jahre alte Freund des Opfers hatte offenbar in der Nähe gewartet, er fand die blutüberströmte Frau kurz nach den Schüssen in der Hütte, die seiner Mutter gehört. Der alarmierte Notarzt konnte die Frau nicht mehr retten. Der 28jährige war mit der jungen Türkin gegen den Widerstand ihrer Eltern seit sieben Monaten befreundet gewesen. Nach den Schüssen flüchtete der mutmaßliche Täter, der auch wegen unerlaubten Waffenbesitzes angeklagt ist. Er stellte sich kurz darauf der Polizei und gestand die Tat. Zum Motiv machte er keine Angaben.
Hessens Sozialministerin Silke Lautenschläger (CDU) betonte im Zusammenhang mit dem Fall, im Umgang mit "Ehrenmorden" dürfe es keine Toleranz geben. Viele Jugendliche aus Zuwandererfamilien zeigten für solche Taten Verständnis, erläuterte sie. Die Wiesbadener Bundestagsabgeordnete Krista Köhler (CDU) unterstützt zudem einen Gesetzentwurf, demzufolge Tötungen aus "Ehrgründen" grundsätzlich als Mord gewertet werden sollen.
Die angebliche Verletzung der Familienehre wurde schon vielen Mosleminnen in Deutschland zum Verhängnis. Spätestens der Mord an der türkischstämmigen Berlinerin Hatin Sürücü im Februar 2005 setzte eine bundesweite Debatte über die sogenannten Ehrenmorde und die Unterdrückung moslemischer Frauen in Gang. Wie die 23jährige Berlinerin mußten in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland mehr als 40 Frauen sterben, weil sie aus Sicht der Familie traditionelle Normen und Regeln verletzt hatten: Sie trugen keine Kopftücher mehr, lehnten den für sie ausgesuchten Ehemann ab, ließen sich scheiden oder führten ein westliches Leben.
Von Verwandten, die sich zu Wächtern der Sittlichkeit berufen fühlten, wurden die "Ehrlosen" umgebracht. DW
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