Wednesday, March 01, 2006

"Diese EU-Spende läßt Boykott der USA und Israels scheitern"


Extremistische Hamas begrüßt Europas Finanzhilfe
von Norbert Jessen

Tel Aviv - Israels Regierung hat auffallend gelassen auf die Ankündigung der EU reagiert, die Palästinenser mit rund 120 Millionen Euro zu unterstützen: "Wir sind uns einig, uneinig zu sein", lautete der knappe Kommentar.
Auch Israel kennt schließlich noch keine Abkürzung aus dem Dilemma: Geldzahlungen an die Hamas sind zu verhindern, ohne daß die Grundversorgung des palästinensischen Alltags völlig zusammenbricht. Um so lauter tönt der Jubel der Hamas: "Wir begrüßen jede Hilfe, die nicht an politische Forderungen geknüpft ist." Als ob die Hamas-Führung noch gar nichts von den drei Grundforderungen erfahren hätte, die das Quartett aus EU, USA, Rußland und Uno stellt: Beendigung von Terror, Anerkennung Israels und die Annahme bisheriger Abkommen mit Israel. Der Hamas-Sprecher legte noch dankend nach: "Diese EU-Spende läßt den Boykott der USA und Israels scheitern."
Israel hatte seine Geldauszahlungen bereits zuvor eingefroren: 50 Millionen Euro Einnahmen palästinensischer Steuern und Zölle behält die Regierung ein, die sich damit in Übereinstimmung mit dem Geist des Oslo-Abkommens sieht, das von der Hamas nicht anerkannt wird.
James Wolfensohn, der Sondergesandte des Nahost-Quartetts, sorgt sich daher bereits: "Bleiben die Hilfsgelder aus, bricht die Palästinenserbehörde innerhalb von zwei Wochen zusammen." Der 121-Millionen-Schub der EU kommt auch deshalb noch schnell vor der Bildung einer Regierung, weil nach dem Antritt einer Hamas-geführten Administration Gesetze zur Terrorbekämpfung die EU zwingen, Spenden an die Autonomieregierung einzustellen.
Bereits im November wurden EU-Gelder in einem Hilfsfonds der Weltbank eingefroren, weil die Autonomiebehörde Sparverpflichtungen gebrochen hatte. Von den dort liegenden 35 Millionen Euro soll Abbas jetzt doch die Hälfte für Lohnzahlungen erhalten.
Schon die Zusammensetzung der Hilfszahlungen, wie die Medien sie veröffentlichten, wirft Fragen auf: Mit 40 Millionen Euro sollen Stromrechnungen der Behörde beglichen werden. Doch sind Strom- und Wasserschulden in Israel von den einbehaltenen Steuereinnahmen absetzbar.64 Millionen Euro sollen über UN-Hilfsorganisationen an der Regierung vorbei direkt der Bevölkerung zufließen. Über wen, an wen und womit, ist noch offen. Lästige Details, die bislang noch nicht ausgearbeitet wurden. Das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) ist schon jetzt überfordert.
Nicht alle Mitarbeiter solcher humanitären Organisationen sind überdies politisch unabhängig. "Wer glaubt, über diese Kanäle fließe kein Geld an die Hamas, gibt sich Illusionen hin", meint Yaakov Amidror, Ex-Chef des militärischen Geheimdienstes.
Selbst Gelder, die ganz gezielt bestimmte Entwicklungsprojekte finanzieren, werden unter einer Hamas-Regierung strittig: Wie läßt sich verhindern, daß ein neues Schulgebäude nicht zu einer Kaderschmiede für angehende Selbstmordattentäter wird? Daneben muten kriegshetzerische und antisemitische Schulbücher, die in der Vergangenheit aus EU-Mitteln finanziert wurden, harmlos an.
Die Hamas kündigte an, alternative Geldquellen in der islamischen Welt aufzutreiben. Vielleicht findet die Organisation dabei auch eine Antwort auf die Frage: Warum fiel die islamische Solidarität bislang eigentlich so mickerig aus?

WELT.de

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