von Gerrit Liskow
In den 70ern ging ein Gespenst um in diesem Land. Es nannte sich “Englische Stilmöbel”. Natürlich waren “Englische Stilmöbel” genauso falsch, wie die “französischen” und die “deutschen” Stilmöbel zuvor. Nichts weiter als Sägespäne, die man mit Kleister in jede erdenkliche Form bringen konnte, und die man statt mit weißem Schleiflack nun mit rötlichem Mahagonifurnier überzog. Mahagonifurnier, das so dünn war, dass man dadurch “Die Welt” lesen konnte, Friede Springers Qualitätsprodukt. Aber die “Englischen Stilmöbel” haben gewirkt, denn auf einmal konnte man sich auch in Gemany endlich “britisch” fühlen, nach einem kleinen Abstecher ins nächstgelegene Möbelhaus. Glaube versetzt eben Berge, wie gesagt.
Ich weiß auch nicht, wie ich jetzt darauf komme, verehrte Leserinnen und Leser. Es muss etwas mit dem Besuch zu tun haben, den Frau Doktor auf der Merkelburg hatte, ihrem Barock-Schlösschen im Norden von Berlin (nein, nicht in Wandlitz). Dort hatte sich nämlich der britische Premierminister David Cameron mit seiner Frau und den drei Kindern eingefunden, um bei Kaffee und Kuchen ein bisschen über dies und das zu plaudern.
Vor allem natürlich darüber, wie man es hinbekommt, nicht zusammen mit dem Club Mediterranée im Orkus der Geschichte unterzugehen, wenn der Südrand der Euro-Zone im Sommer baden geht und sich als finanzieller Klotz an den Füßen seiner beiden wichtigsten EU-Nettozahler herausstellen sollte. Für noch mehr “Rettungen” reicht nämlich auch der deutsche Dispo nicht, und die andere Nettozahlerin der Brüsseler Beamtendiktatur ist nun mal Britannia, besser bekannt als Vereinigtes Königreich. Daher die dringende Notwendigkeit für Frau Doktor, mit “call me Dave” auf den weißen Fuß zu kommen.
Shackled to a corpse?
Nicht, dass es unsymapthisch wäre, wenn Germany etwas britischer wird. Solange es hier in Zukunft nicht syrischer oder nordkoreanischer wird, kann alles nur ein Fortschritt sein. Die offizielle Agenda des privatesten Staatsbesuchs, den es in den letzten Jahren gab, fantabulierte viel davon, man wolle sich gemeinsam darum kümmern, die EU “wettbewerbsfähiger” zu machen. Was sagt wohl der Monsieur aus dem Elysée dazu? Kommt dieser Begriff in seinem Wortschatz überhaupt vor?
Es klingt ein bißchen so, als wollte man versuchen, aus einem Hängebauchschwein ein Rennpferd zu machen. Oder wie bei den beiden Einbeinigen, die sich zusammenketten, weil sie bei der Olympiade als Sprinter antreten wollen. Germany hat sich mit seinen Garantien in der Euro-Zone weit aus dem Fenster gelehnt. Es ist abzusehen, dass es die Hunderte von “Rettungmiliarden” nicht hat, die irgendwann mal fällig werden könnten.
Während Groß Britannien zwar nicht in der Euro-Zone ist, dafür aber sein eigenes Geld drucken kann (und das auch fleißig tut, denn langsam wird wohl bei der Bank of England das Papier knapp, und von daher wertvoller, als das, was damit gedruckt wird). Nun hat man sich wohl gedacht, dass man den deutschen Dispo einfach mit britischem funny money aufpeppen kann – schlechter als die Euromark kann es auch nicht sein. Oder was? So ist das, wenn man Menschen einen Job machen lässt, für den sie nicht ausgebildet sind.
Heute sind wir einen Schritt weiter?
Ach ganz egal, was man sich dabei gedacht hat, man soll sich super verstanden haben auf Schloss Merkelburg. Die kahle Natur drückte indes aus, was auch in den Wirtschaftsnachrichten aus der Euro-Zone steht: Ein Frühling, der nicht kommen will. Portugal will den Gürtel noch mal zwei Löcher enger schnallen – und das, wo sie dort jetzt schon den Kitt aus den Scheiben essen müssen. Das ist nur der letzte “Triumph” einer EUdSSR, in der Genosse Barrosso, Van Rompompom und Herr Duselbloom glauben, “das Schlimmste” läge hinter uns. Viele Millionen von Menschen hat dieser gescheiterte Freilandversuch bereits in Hunger und Elend gestürzt, und dafür hat die EUdSSR dann auch noch den Nobelpreis kassiert.
Begleitet wurde David Camerons Visite bei Familie Merkel-Sauer übrigens von zielstrebig gestreuten “Indiskretionen” in der britischen Presse, wonach sich eine namentlich nicht näher benannte Kabal konservativer Abgeordneter aus Camerons eigener Tory-Partei nicht dabei “erwischen” lassen wolle, dass sie der “Alternative für Deutschland” (der Partei von und mit Henkel) das Parteiprogramm geschrieben hätten, oder doch dabei wären, es zu tun. Da mag der Wunsch der Vater der Gedankens gewesen sein – der Wunsch, bestraft zu werden vielleicht? Denn öffentlicher, als im Daily Telegraph kann so ein “politisch” sündiges Pseudo-Geheimnis gar nicht ausgeplaudert werden.
http://www.telegraph.co.uk/news/politics/david-cameron/9990805/Tories-build-secret-alliance-with-Eurosceptics-behind-Merkels-back.html
Immerhin stehen im Programm der AfD nun so bemerkenswerte Sätze, wie jener, dass man David Camerons “euroskeptischen” EU-Kurs unterstützt und “Reformen” an der Brüsseler Beamtendiktatur durchsetzen will. Das mag durchaus auf dem eigenen AfD-Mist gewachsen sein, ohne Hilfe von “drüben”, von der anderen Seite vom Kanal. Aber es klingt so, als würde die AfD die EU-Formulare nur auf etwas besserem Papier drucken wollen, wenn es nach der Septemberwahl irgendwie nach ihr gehen sollte. Was durchaus unwahrscheinlich ist: Mit jetzt sieben Umfrageprozent für die AfD wird schwarz-rot, oder vielmehr schwarz-grün, allmählich zur Gewissheit. Vor allem, wenn die fußlahme FDP der “christlichen” Variante der deutschen Sozialdemokratie nicht wieder zur Regierungsmehrheit verhelfen kann.
Darf auch “Europa”-Kritik bald kein Tabu mehr sein?
Nun ja, David Cameron ist sicherlich vieles, aber in etwa so “euroskeptisch” wie ein Inter-Rail-Ticket. Und nun wollen es sich namentlich nicht näher benannte Tory-Backbencher (aus dem Umfeld von MP Bill “nicht mit meiner Kohle” Cash vielleicht?) also auf ihre “politischen” Fahnen schreiben, sie hätten die "Alternative für Deutschland” erfunden – nicht schlecht! (Mit den Freilaufenden Wählern in Bayern sprechen diese Tories übrigens auch, heißt es, aber nur mit Dolmetscher). In dieser Burgfeste des politischen Anstands und der gesellschaftlichen Repektabilität hat man offensichtlich verstanden, dass einem inzwischen nur noch die zweitbeste “euro”-politische Option übriggeblieben ist, nämlich “Reformen” der EU.
Und auch das hat man nur kapiert, nachdem einem die eine oder andere Nachwahl-Schlappe keine andere Wahl gelassen hat (mal sehen, was die Tories bei den Gemeinderatswahlen im Mai so kassieren). Die profilierteste Position in EU-Dingen haben sich die Tories, in der übrigens mal Maggie Thatcher den Euro-kritischen Flügel angeführt hat, bereits vor vielen Jahren von Nigel Farage und der UK Independence Party wegschnappen lassen. Und dessen zentrale politische Forderung bleibt jenes Referendum über den EU-Austritt, das PM Cameron zuletzt zähneknirschend angekündigt hat (nicht, dass es in dieser Sache nicht schon mal zu einem Wortbruch gekommen ist). Wenn die Tories nun also mit der “euroskeptischen” AfD kokettieren, geschieht das nicht zuletzt, um sich im Torygraph, äh: Telegraph ein wenig “euro-kritischer” zu inszenieren.
Was ist das Demokratische an der CDU?
Das zweckdienliche “Demokratiedefizit” der EU musste sogar Premierminister Cameron anerkennen, und hat seinem Wahlvolk eine Volksabstimmung angedroht, so Richtung 2017. Gesetzt den Fall, dass er dann noch im Amt und Würden ist. Was, ehrlich gesagt, angesichts der aktuellen Umfragen in etwa so wahrscheinlich ist, wie die Auferstehung der Dinosaurier. Dennoch: Das deutsche “politische” Establishment ist von der Aussicht, dass man den Briten irgendwann vielleicht einmal irgendwelche Mitbestimmung bei der Frage ihrer Assimilation im totalen Euro-Überstaat einräumen könnte (oder müsste), so geschockt, dass Mutti fast die Lust auf Kaffee und Kuchen verging. EU-Referendum? Das wäre ja noch schöner!
Wofür leben wir denn in einer “Demokratie”, wenn man den Willen der Wählerinnen und Wähler nicht einfach ignorieren kann, liebe CDU? Kohl “macht hohl”, besser bekannt als Doktor Helmut, hat doch in den 80ern vorgemacht, wie das geht. Wie man “als Diktator regiert” und dafür auch noch viermal wiedergewählt wird, in diesem wiedergutgewordenen Germany. Für seinen Beitrag zur “Einheit Europas” hat er sich letztens noch mal so heftig an die Brust geschlagen, dass dabei eine Magisterarbeit in Journalistik aus dem Jahr 2002 aus dem Regal gefallen ist, wo Dr. Helmut sich für sein Talent als Diktator angepriesen hat wie sauer Bier. Nachdem man noch nie so genau sagen konnte, was überhaupt das “Christliche” an der CDU sein soll, stellt sich jetzt auch noch die Frage, was denn wohl das Demokratische am Kanzlerwahlverein der Union sein soll.
Das Hübsche an der Postdemokratie ist doch, dass man sich als Regierungs-Chefin (m/w) einfach mal zu einem privaten Wochenende treffen kann, auf dem man alles Wesentliche bespricht: David darf sich ein paar Freiheiten kaufen, mit Quantitative Easing (das ist nicht Englisch, sondern Bank of English und heißt Gelddrucken). Damit darf er sich auf eigene Kosten eine etwas längere Leine kaufen, die ihn vom EU-Diktat ein Stück weit befreit. Aber nur ein Stück weit, und nur solange er Mutti verspricht, ganz brav in der EU zu bleiben, und nicht im Commonwealth zu streunen. Was dann Mr Cameron bei sich zuhause als Sieg der Vernunft verkauft. Ist es nicht zu und zu schön!
Und Mutti? Geht in “Europa” noch irgendwas ohne sie? So richtig blöd wird es doch erst, wenn die ganzen Rettungspakete fällig werden, mit denen Wolfgang Schäuble am Südrand der Festung Europa einkaufen geht. Vor allem wird das teuer. Aber dann setzt die Steinlaus von der SPD eben ab 2014 flugs die Mehrwertsteuer hoch, oder die Grünen kassieren nach Erneuerbare Energien Gesetz, oder beides – solange, bis die Schwarte kracht. In der einen oder anderen Variante machen die EU-Blockparteien das dann unter sich auch – als schwarz-rot-grün, als staatstragende Afghanistan-Koalition.
Das Einzige, was man an der stilsicheren Inszenierung auf der Merkelburg nördlich von Berlin (nicht in Wandlitz!!!) besser weggelassen hätte, ist das “euroskpetische” Furnier. Es ist genauso falsch, wie diese verzweifelte Stilmöbel-Welle, die in den 70ern durch deutsche Wohnstuben geschwappt ist.
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