Tuesday, November 05, 2013

Resul Ekrem Gönültas und die Milli Görüs

Der Versuch, die Islamische Föderation in Österreich von der Milli-Görüs-Bewegung zu separieren, ist nicht glaubwürdig. Dafür ist personelle, organisatorische und ideelle Verzahnung mit selbiger zu sehr ausgeprägt "Die Milli-Görüs-Bewegung kann nicht mit einer gewöhnlichen Parteigründung erfasst werden", sagte der Milli-Görüs-Gründer Necmettin Erbakan dem türkischen TV-Sender NTV im Jahr 2010. Der bekannte Journalist Rusen Cakir hat in seinem 1990 erschienenen Buch "Ayet ve Slogan" (Koranvers und Slogan) insbesondere die Milli-Görüs-Bewegung analysiert. Cakirs Buch gilt bis heute als Standardwerk für die Entwicklungsanalyse des politischen Islam in der Türkei. Noch im Mai 2013 beschreibt Cakir die Milli-Görüs-Bewegung als "wichtigste autonom-islamische Bewegung der türkischen Republik". "Was wäre Wien ohne Sie?" - So wird Christoph Matznetter in der "Wiener Zeitung" 2009 zitiert, als er bei der Koranrezitationsveranstaltung der Islamischen Föderation Wien (IFW) zu den Anwesenden spricht. Der Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes (SWV) ist auch der Chef des türkischstämmigen Nationalratskandidaten Resul Ekrem Gönültas, der bei den zurückliegenden Wahlen mehr als 12.000 Vorzugsstimmen gesammelt hatte. Daraufhin wurde Gönültas vom grünen Bundesrat Efgani Dönmez beschuldigt, in den Moscheegemeinden der Islamischen Föderation "zentral gesteuert" Wahlkarten ausgefüllt zu haben. Im Zuge der Kandidatur kam Kritik auf, da Gönültas als Vorstandsmitglied der IFW, dem Ableger der Milli-Görüs-Bewegung in Österreich angehört. Im "Profil"-Interview weicht Gönültas aus, als er konkret auf das Verhältnis zwischen IFW und der deutschen Milli-Görüs-Zentrale IGMG (Islamische Gemeinschaft Milli Görüs, Anm.) angesprochen wird. Er meint lediglich, man solle diesbezüglich einen Funktionär fragen. Dass er sich auf seiner eigenen Homepage als Vorstandsmitglied der IFW ausweist, scheint ihm in dem Augenblick aus dem Bewusstsein entglitten zu sein. Die Europazentrale der Milli-Görüs-Bewegung IGMG schreibt auf ihrer Seite unter dem Begriff "Organisationsstruktur": "Die IGMG unterhält Moscheegemeinden in Deutschland, den Niederlanden, […] Österreich, […]." Und weiter: "In den anderen europäischen Ländern existieren […] Regionalverbände in Frankreich, in Österreich und in den Niederlanden gibt es mit Österreich-1, Österreich-2 und nördliche Niederlande, südliche Niederlande jeweils zwei Verbände." Die europäische Zentrale in Kerpen, Deutschland, koordiniere die interne Zusammenarbeit und Dienstleistungen der Moscheegemeinden bzw. Regionalverbände. Das erklärt auch den Besuch des IGMG-Vorsitzenden Kemal Ergün in Wien im Dezember 2012. Im Wiener Restaurant Tulpe, das wiederum von Gönültas betrieben wird, kamen der Obmann des IFW Muhammet Turhan und eben der Chef des Milli-Görüs-Dachverbandes zusammen. Noch im Frühjahr 2013 hatte die IFW zu ihrer Büchermesse den Erbakan Intimus Recai Kutan eingeladen. Kutan war die rechte Hand Erbakans und Parteichef zweier Milli-Görüs-Parteigründungen (Fazilet- und Saadet-Partei). Im Mai 2013 fand in Belgien eine Milli-Görüs-Veranstaltung statt, die aus ganz Europa knapp 25.000 Besucher angelockt hatte. Darunter etliche Mitglieder und Funktionäre des österreichischen Ablegers der Milli-Görüs-Bewegung. Als muslimischer Politiker, der bereits landesweit getourt ist, müsste Gönültas die Antwort auf die Frage, wie etwa das Verhältnis zwischen IFW und der Europa-Zentrale IGMG ist, im Grunde wissen. Selbst wenn er selbst kein Funktionär der IFW wäre. Als Erbakan das letzte Mal nach Wien gekommen war, war der Grund dafür, dass die Milli-Görüs-Organisationen ihr 40-Jahr-Jubiläum im Beisein des Gründers feiern wollten. Eben auch in Wien unter der Leitung des IFW-Obmanns Turhan. Es ist auch der Obmann Gönültas in der IFW, der beim Gedenkgottesdienst für den verstorbenen Erbakan in Istanbul ein Gebet rezitieren durfte. Im dazugehörigen Youtube-Video wird er allerdings nicht als IFW Chef tituliert, sondern als IGMG-Wien Vorsitzender. (Rusen Timur Aksak, 4.11.2013, daStandard.at)
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