Der heimliche Orientalismus Deutschlands,durchleuchtet von Fred Alan Medforth
Monday, April 20, 2015
Ehrengräber für Völkermörder in Berliner Moschee
Die Sehitlik-Moschee ist der repräsentativste klassisch-osmanische Sakralbau des größten deutschen Islamverbands Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib). Mit spitz aufragenden Minaretten, Kuppel und reichem Ornament. Sie ist eine beliebte Kulisse für die mediale Inszenierung interreligiösen Dialogs. Bundespräsident Joachim Gauck war schon dort. Justizminister Heiko Maas auch. Der SPD-Politiker nahm im Januar auf dem Gebetsteppich Platz, um Solidarität mit den Muslimen zu signalisieren. Zuvor hatten Terroristen in Paris Juden und Satiriker ermordet; deutsche Muslime befürchteten deshalb Anschläge gegen Moscheen. Viele Politiker liefen zu dieser Zeit an den weißen Ehrengräbern der Völkermörder vorbei; öffentliche Empörung über die Ruhestätten ist nicht überliefert.Diese spezielle Grabesruhe hat mit Kaiser Wilhelm I. und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu tun. Und sie schmerzt die etwa 50.000 Armenier in Deutschland. Erst fast 100 Jahre nach dem 24. April 1915, an dem das Osmanische Reich den Völkermord an mehr als einer Millionen Menschen entfesselte, konnte sich die Regierung ihrer neuen Heimat dazu durchringen, den Völkermord als solchen einzuordnen. Am Montag einigten sich die Koalitionsfraktionen nach langem Streit auf eine Formulierung. In dem Antrag, über den der Bundestag am Freitag beraten soll, heißt es: Das Schicksal der damals vertriebenen und getöteten Armenier "steht beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von denen das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist". Der Vorsitzende des Zentralrats der Armenier in Deutschland (ZAD), Nazareth Agheguian, sagt der "Welt": "Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung das Geschehen Völkermord nennt, wie das Frankreich, die USA, das Europäische Parlament und Papst Franziskus tun." Der hatte die Armenier vor einer Woche als "Opfer des ersten Völkermordes des 20. Jahrhunderts" bezeichnet. Deutsche Regierungen scheuten den Begriff lange Zeit – trotz des breiten geschichtswissenschaftlichen Konsenses, dass die Massaker an den Armeniern auf die Vernichtung des Volkes zielten, und trotz der zahlreichen Dokumente über ungeheuerliche Grausamkeiten aus Rassenhass und Sozialneid, die zuletzt etwa der Historiker Rolf Hosfeld in seinem Buch "Tod in der Wüste" präsentierte.
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