Zwischen dem Glockengeläut der Kirchen und dem Muezzinruf bestehen
Unterschiede. Den muslimischen Gebetsruf mit Lautsprechern zu
verstärken, ist zudem in vielen Fällen nicht angemessen. Darauf macht
der Theologe und Islamwissenschaftler Friedmann Eißler (Berlin)
aufmerksam. Anlass ist, dass in Gladbeck (bei Essen) seit dem 17. April
werktags vom Minarett einer Moschee der Gebetsruf eines Muezzins zu
hören ist. Sie gehört zum Dachverband Türkisch-Islamische Union der
Anstalt für Religion (DITIB). Eißler, Referent der Evangelischen
Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), schreibt im
EZW-Newsletter: „Abgesehen davon, dass die Lautsprecherverstärkung nur
sinnvoll sein kann, wenn sie vom Großteil der Gläubigen zu hören ist,
wird durch sie eine Situation geschaffen, in der die Anwohner dem
öffentlichen Bekenntnis des islamischen Glaubens ausgesetzt sind, ohne
ausweichen zu können.“ Damit rücke das politische und gesellschaftliche
Interesse in den Blick, das dem Islam durch die Ausrufung des
Bekenntnisses öffentlich Gehör verschaffen will. Das liturgische
Glockengeläut der Kirchen unterscheide sich davon vor allem dadurch,
dass es nicht als Teil des Gebets aufgefasst werden könne und über die
Einladung zum Gottesdienst hinaus keine inhaltliche Botschaft
proklamiere.
Wie Eißler weiter schreibt, erschallt der islamische Gebetsruf einmal
wöchentlich oder bis zu fünfmal täglich in schätzungsweise 15 bis 20
deutschen Städten. Darunter seien Dortmund, Marl, Recklinghausen,
Gelsenkirchen, Bochum und Siegen. Laut Eißler sind Lautsprecheranlagen
an Moscheen nicht genehmigungsbedürftig: „Der Gebetsruf des Muezzins
kann wie das kirchliche Glockengeläut nur bei Kollision mit anderen
Menschenrechten rechtlich eingeschränkt werden; etwa wenn
Lärmschutzbestimmungen nicht eingehalten werden oder bei
Beeinträchtigung der ,negativen Religionsfreiheit’ – des Grundrechts,
kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben.“ Der
Gladbecker Bürgermeister Ulrich Roland (SPD) hatte den künftigen
Muezzinruf im März in einer Pressekonferenz mit dem Vereinsvorsitzenden
der Moschee, Nadir Kahraman, der Öffentlichkeit mitgeteilt. Die beiden
großen Kirchen kritisierten, dass sie im Vorfeld nicht informiert worden
waren. Ebenso wie die CDU hätten sie sich vorab eine breite öffentliche
Diskussion gewünscht. Am 24. April hat sich nun auch der ehemalige
CDU-Bürgermeister Eckhard Schwerhoff (1995-2004) zu Wort gemeldet. Die
Moschee war während seiner Amtszeit gebaut worden. Er hebt in einem
Leserbrief in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung hervor, dass der Bau
der Moschee mit einem nicht befristeten öffentlichen Verzicht des
Moscheevereins auf die Nutzung von Lautsprechern einher gegangen sei:
„Eine Abkehr von einer seit langem geübten Praxis ... sollte – gerade
bei einem sensiblem Thema – nur nach einem intensiven, vertrauensvollen
und konsensorientiertem Dialog erfolgen.“
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