Friday, April 24, 2015

Die Banalität des Blöden: Holocaust-Leugnung vom Auswärtigen Amt?

von Gerrit Liskow

Genosse Steinmeiers (SPD) Auswärtigem Amt ist es tatsächlich gelungen, den Völkermord aus der Welt zu schaffen. Nicht jeden, bewahre, sondern nur den vor 1951. Denn merke: Vorher gab es keinen – mangels Rechtsgrundlage. Interessant? Ich finde, ja.
Man muss sich die Begründung auf der Zunge zergehen lassen, liebe Leserinnen und Leser, um den abgrundtiefen Stumpfsinn gepaart mit naturnaher Hinterhältigkeit zu goutieren, der die Behörde am Werderschen Markt im Namen und Auftrag der deutschen Bundesregierung angetrieben haben muss:
„Der Begriff ‚Völkermord‘ ist nach Auffassung der Bundesregierung […] nicht geeignet: Die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes […] ist erst […] 1951 in Kraft getreten. Sie gilt nicht rückwirkend.“
Selbst wenn man weiß, dass der moderne Deutsche beiderlei Geschlechts so gut wie gar nichts ohne Rechtgrundlage tut (egal, ob er sich und andere ökologisch kontrolliert oder mit dem Flugzeug in die Berge fliegt): Man muss sich wundern, mit welcher Selbstverständlichkeit er das Recht an seiner Seite wähnt – nämlich stets und immerdar!
Und sei es auch nur das Recht, für sich jene Ausnahme zu machen, die er anderen aus Gründen des Gemeinsinns gerne verwehrt; vor allem wenn es diesen anderen darum geht, von ihm verschont zu werden. Daran hat sich offensichtlich nichts geändert, seit die hiesige nationale Selbstmordsekte sich zum letzten Mal auf den deutschen Sonderweg begeben hat.
Was dennoch überrascht, ist die Selbstverständlichkeit, mit der das offizielle Deutschland – und viel offizieller als die Bundesregierung geht es nun mal nicht in dieser unserer Republik – den Völkermord mit einem Nebensatz abzuschaffen versucht; natürlich nur den Genozid vor 1951 unter Verweis auf die einschlägige Regelung durch die UNO. Und den Rest regelt dann ein Ausführungsgesetz?
Denn merke: Vor 1951 stand Völkermord mangels einschlägiger Rechtsgrundlage nicht unter Strafe – und ergo gab es ihn nicht! Diese Begründung ist sozialhistorisch derartig auffällig, dass es sich selbst der keineswegs sozialrevolutionäre „Report“ aus München nicht verkneifen konnte, ein zweites Mal hinzuhören, was die Bundesregierung damit gemeint haben mag.
Dem äußeren Anlass nach ging es um den Genozid an den Armeniern, der sich in diesem Jahr genau wie die leider kolossal missglückte alliierte Invasion in Gallipoli zum hundertsten Mal jährt. Ein Genozid, den es aus Sicht von Genosse Steinmeiers AA niemals nicht gegeben hat – vor allem nicht in seiner Funktion als Völkermord.
Aber als was denn dann, Herr Bundesaußenminister – als schief gegangene Klassenfahrt? Als verpatzter Volkswandertag?
Ja richtig, meine Damen und Herren: Das ist der selbe Herr Steinmeier, der vorzugsweise solchen Orten eine besondere Ehre erweist, die die sterblichen Überreste jener osmanischen Generäle beherbergen, die vor hundert Jahren rund anderthalb Millionen Männer, Frauen und Kinder auf Todesmärsche schickten.
Selbstverständlich waren die Bündnispartner der osmanisch-deutschen Waffenbruderschaft in Berlin über alle Details zeitnah und umfassend informiert – ohne dass es zu irgendwelchen Unmutsäußerungen auf deutscher Seite kam; zumindest nicht von Herrn Bethmann-Hollweg, eines von Genosse Steinmeiers prominenteren Vorgängern im Amt.
Nun ja, wie wir jetzt „wissen“, hat’s das alle nie gegeben, weil es ja vor der Einführung der einschlägigen Paragrafen geschah; vielleicht mit Rücksicht auf die guten partnerschaftlichen Beziehungen zwischen den Rechtsnachfolgern des Deutschen und des Osmanischen Reiches, a.k.a. Deutschland und Türkei, beide „in Europa“? Honi soit qui mal y pense…
Und wenn da vor hundert Jahren doch etwas gewesen sein sollte, bei dem rund anderthalb Millionen Menschen, und mithin fast ein ganzes Volk, in der Türkei ermordet worden sind, dann war es vor allem eins nicht: Es war kein Völkermord, nie und nimmermehr.
Dass derlei behauptet wird, ist nicht neu, sondern in der geschichtsrevisionistischen Szene üblich und für sie konstitutiv. Interessant ist nur, mit welcher Selbstverständlichkeit offizielle Behörden eines dem Anspruch nach demokratischen Staates derlei Geschichtsfälschung betreiben: im Nebensatz, dafür aber im Namen der Bundesregierung.
Sind wir denn heute im Krieg mit Ozeanien oder Eurasien, Genosse Steinmeier? Oder wissen Sie es selbst noch nicht genau?
Die zentrale Ambition, wenn nicht die größte Leidenschaft, offizieller deutscher Außenpolitik ist es nun mal, zu ihrer einstigen Größe zurückzufinden: Als Mittelmacht und Spaltpilz „in Europa“, die mal den globalen Osten gegen den Westen und dann wieder den Westen gegen den Osten ausspielen kann – um entstehende geopolitische Vakua zum Kochen ihres eigenes strategisches Süppchen auszunutzen; auf Kosten Dritter und unter Ausnutzung derer Naivität, versteht sich.
Nun ist es so, dass die Blödheit dieser banalen Episode – ich sage deshalb banal, weil sie für die deutsche Bundesregierung bloß business-as-usual bedeutet und nicht um ihre epochale Niedertracht in Abrede zu stellen – auch ihren Urhebern nicht verborgen bleiben kann.
Immerhin hat es nicht lange gedauert, bis biederen Rechtskundlern auffiel, dass mit der unziemlich legalistischen Ausdehnung des Rechtgrundsatzes „keine Strafe ohne Gesetz“ auch die Leugnung eines ganz anderen Völkermordes betrieben werden kann – interessanterweise jenes menschheitsgeschichtlichen Verbrechens, wegen dem der Genozid als juristische Kategorie im Jahre 1948 von Raphael Lemkin definiert werden musste.
Die Rede ist selbstverständlich von der Shoah, an die in Israel erst letzte Woche mit dem alljährlichen Gedenktag erinnert wurde.
Wenn nun die Bundesregierung feststellen lassen möchte, dass es vor der Definition der einschlägigen juristischen Kategorie keinen Völkermord gegeben haben kann, dann stellt sie damit – direkt oder indirekt, vielleicht auch freiwillig-unfreiwillig – die Shoah in Frage.
Weiß man denn am Kabinettstisch der Frau Dr. Merkel noch immer nicht (oder nicht mehr), dass Holocaust-Leugnung ein Straftatbestand ist? Oder steht man von vornerein über derlei Gesetz?
Möglicherweise möchte die Bundesregierung sich auch gerne zum Kreis jener Staaten gesellen, die sich über der Genozid-Konvention der UNO stets zweckdienlich hinweggesetzt haben; die meisten von ihnen sind übrigens mustergültige, lupenreine Diktaturen.
Und bevor ich es vergesse: Nicht, dass sich irgendjemand in Germany darüber aufregen würde, schon gar nicht in den uffjeklärten Milieus, in denen normalerweise wegen so mancher Lappalie die Pisse kocht. Die deutsche Journaille schweigt darüber wie aus einem Mund.
 haolam

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