Sunday, July 12, 2015

Obama im Pentagon zum "Islamstaat"

von Wolfgang G. Schwanitz
  • Obama zeigte im Pentagon keine Kursänderung gegenüber dem "Islamstaat" an, der expandiert.
  • Wieder sprach er von einer Hassideologie, benannte sie nicht und behauptete, das sei kein Islam.
  • Er will also eine namenlose "Hassideologie" diskreditieren, deren Quellen Jahrhunderte alt sind.
  • Faschismus und Kommunismus wären auch überwunden worden. Doch Islamismus ist nicht so künstlich, birgt Stränge solcher Ideologien, nutzt eine Weltreligion und Hochtechnologien aus und wirkt global von innen. Er steht weder rechts noch links, ist aber beiderseits komplementär.
  • Der Westen verkennt eine gleiche Natur des sunnitischen "Kalifats" und des schiitischen Irans.
In Wien betonte Außenminister Kerry, was Präsident Obama zuvor "unter 50 Prozent Chance" eines Atompakts mit Iran nannte: ein mögliches Gesprächsende im Streit mit Teheran. Kerry sagte am 9. Juni, "nicht ewig zu verhandeln". Drei Tage zuvor erhellte Obama keine Kursänderung gegenüber ISIL, dem "Islamstaat". Er betonte die lange Dauer des Kampfes - und offenbarte Probleme. Denn er geht mit zwei Islamstaaten der gleichen Natur um. Den schiitischen Staat will er durch einen Pakt zügeln und das sunnitische "Kalifat" mit Stämmen durch lokale Sunniten/Schiiten. Ein probater Ansatz?
Obama erläuterte vier Säulen seines Kurses. Die systematischen Luftangriffe mit bisher 5.000 Schlägen; Hilfe und Training für lokale Bodentruppen; Schritte gegen das Geld, die Ideologie und die ausländischen Kämpfer; sowie die humanitäre Hilfe für die Betroffenen Schiiten, Sunniten und Christen im Kriegsraum. ISIL, wie er den "Islamstaat" nannte, sei durch Länder umrundet, die ihn zerstören wollen. Dieser habe keine Luftwaffe und der Himmel gehöre der Koalition. Keine Nation helfe diesem, der auf Angst setze. Diese schlimme Brutalität schrecke oft jene unter seiner Macht ab und schaffe ihm neue Feinde.
Zieht Gewalt Helfer an? Der Präsident sagte, der "Islamstaat" sei eine außerordentliche Bedrohung über die Region hinaus, was die tödlichen Angriffe in Tunesien, auf Sinai und Kuwait zeigten. Dann fügte er Attacken in Ottawa, Sydney, Frankreich, Kopenhagen und Texas hinzu. Inzwischen sind laut James Comey zehn Personen vor dem 4. Juli arretiert worden, die am Unabhängigkeitstag Personen in Amerika töten sollten, wie durch den "Islamstaat" inspiriert. Der FBI-Direktor warnte abermals, dass deren Texte im Internet verschlüsselt versendet würden. Inzwischen seien daher einige der Militanten abgetaucht.
Präsident Obama verwies auf den neuen Einfluss des "Islamstaats" in Libyen, Nordafrika, Mittelost, im Kaukasus und in Südostasien. Wenn diesem keine Nation hilft, muss doch seine Ideologie ein Magnet sein. Stützt ihn auch kein Staat offen ab, hat er viele Förderer. Die "Hassideologie", die Obama antippte, wirkt attraktiv. Nach dem Kalifat 1924 reift ein Globalkalifat heran. Jihadis expandieren, von denen Ankara nur am 10. Juli 21 festnahm.
Obama möchte die Ideologie des "Islamstaats" diskreditieren - aber welche? Er meinte, der Kampf von Generationen um die Herzen und Meinungen werde hauptsächlich in den Islamgemeinden bestimmt. Muslime, deren Gelehrte und Kleriker, sollten die "verdrehten Auslegungen des Islam" und das Sektentum abweisen, damit ihre Kinder nicht rekrutiert würden. Aber vertieft er nicht das Sektierertum, indem er iranische Schia-Milizen im Irak gegen den "Islamstaat" und Sunnistämme ringen lässt, was folgt daraus nach dem Krieg?

Realitäten

Barack H. Obama erklärte, "in Worten und Taten werden wir nie im Krieg mit dem Islam sein. Wir gehen Terroristen an, die den Islam verdrehen und deren Opfer meist Muslime" seien. Was wird verdreht, wieso nennt er dies Ideologie, hat die etwas mit Islam zu tun, fragte auch Angela Merkel. Er meinte, Ideologien seien nicht mit Kanonen anzugehen, sondern mit guten Ideen. Wie, wenn die Ideologie namenlos ist, nicht Islam nennen soll? Nicht im Video, aber auf dem Blog des Weißen Hauses zu Obamas "ISIL-Rede" am 6. Juli wird der Präsident zitiert, der "Islamstaat" kam aus einem Zweig der al-Qaida und eroberte beiderseits der syrisch-irakischen Grenze weite Gebiete. Obwohl sich ISIL selbst "Islamischer Staat" nenne, sei diese Terroristengruppe "weder islamisch noch ein Staat."
Wenn laut Obama dies nichts mit dem Islam zu tun habe, schlägt er das Werden des Islamismus aus. Neue Lehrbücher des "Islamstaats" beruhen auf Ibn Taimiyya (1263-1328) und Muhammad Ibn Abd al-Wahhab (1703-1792). Die Abkürzung ISIL meint "Islamic State in Iraq and the Levante", arabischالدولة الإسلامية في العراق والشام ‎. In "ash-Sham" oder "Levante" steckt der Gebietsanspruch des "Kalifen Ibrahims" auf die osmanische ash-Sham-Provinz Großsyrien, heute Libanon, Israel, Palästina, Jordanien, Syrien und der Irak. Wer ISIS oder ISIL benutzt, trägt diese Idee der Islamisten aus. Es wäre so als redete man von Großdeutschland, nicht Deutschland. Wer "Islamischer Staat", kurz "Islamstaat" in Anführungszeichen setzt, distanziert sich, stellt eben diese Bezeichnung ohne konkreten Länderanspruch in Frage.
Die Eigenbezeichnung führt über den Islam zur Ideologie Islamismus. Amerika bekämpft nicht die Religion Islam, sondern eine daraus abgeleitete Auslegungsart, die Ideologie des Jihads. Akzeptierte der Präsident das, rückten Vergleiche einiger Islamstaaten ins Bild, des schiitischen, mit dem er einen Atompakt anstrebt, und des sunnitischen "Kalifats", dessen militärische und ideologische Bekämpfung er Einheimischen zueignet.

Novum

Nicht alles in Mittelost selbst zu tun, meinte Obama im Pentagon, ist nach einem Dutzend Kriegsjahren erklärlich. Aber nach einem Expansionsjahr des "Islamstaats" weder durch den ideologischen Begriff noch wirksame Strategien zu überzeugen, hat globale Folgen. Geht es so weiter, gewinnen Islamisten anderthalb Jahre zum Globalisieren. Wo nun am meisten Aufklärungsbedarf entsteht, gedeiht die westliche Konfusion tiefer. Die Rede, dies sei kein Islam, verfehlte: dies ist Islamismus. Obama verwies auf Faschismus und Kommunismus, die überwunden worden wären. Islamismus ist nicht so künstlich wie sie. Er birgt Stränge solcher Ideologien, nutzt eine Weltreligion und Hochtechnologien, wirkt global von innen. Er steht weder rechts noch links, ist aber dazu komplementär. Dies kann Moskau und Beijing dienen wie ihren Gegnern. Für Kiew kämpfen in der Ukraine auch Islamisten.
Eigenheiten im ersten Globalkrieg des 21. Jahrhunderts vertragen weder Aufschub noch Wirren. Das Training Einheimischer ist unsicher, die Koalition im Himmel uneffektiv. Auch durch Jordanien, Ägypten und Kurdistan gab es Gewinne. Der Westen blockiert sich zu beiden "Islamstaaten". Wer den Islamismus erkunden will, der starte mit Winston S. Churchills "The River War" und Ayatullah al-Khumainis "Der Islamische Staat".
 gatestoneinstitute

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