Saturday, January 09, 2016

Mit der ganzen Milde des Gesetzes

Tief empört, sondern die Kanzlerin, der Innenminister und der Justizminister Sprechblasen über die „widerlichen Vorkommnisse“ in die Kameras ab. Am beliebtesten ist derzeit die Forderung, die Täter „mit der ganzen Härte unserer Gesetze“ zu bestrafen und dann „müssen sie unser Land verlassen“. An wen richten sie denn ihre Forderung? Ich dachte immer, sie sind die Regierung. Der Vizekanzler denkt laut darüber nach, dass Asylbewerber ihre Strafen in ihren Heimatländern absitzen sollen. Er weiß wohl darum, das eine deutsche Gefängniszelle für Bewohner einer Traglufthalle so etwas ist, wie ein Luxushotel.
Offensichtlich halten die Politiker das Volk für bekloppt. Oder sie haben nicht gemerkt, dass die DDR untergegangen ist, wo tatsächlich Politiker die Gerichtsurteile vor dem Prozess festgelegt haben. Haben sie nicht geschnallt, dass wir heute in dem leben, was vom Rechtsstaat noch übrig ist?
Also, die Herren Justizminister Maas und Innenminister de Maizière, Sie sind ja beide Volljuristen. Hier zur Erinnerung, wie’s geht im Rechtsstaat: hier entscheidet ein unabhängiger Richter nach Beweislage über das Urteil.
Kommen wir zum Abschieben. Für unseren Vizekanzler hier eine Erinnerung an sein eigenes, derzeit in Deutschland von der Politik und Verwaltung wohl meistgebrochenes Gesetz. „Die Ausweisung ist ein ausländerrechtlicher Verwaltungsakt nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG)“. Der Deliquent muss sich einer schweren Straftat, die zu einer Verurteilung von drei Jahren führt, schuldig gemacht haben. Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit (keine Papiere), oder Personen, denen bei Ausweisung Tod oder Folter drohen, können gar nicht abgeschoben werden.
Aber welcher Politiker interessiert sich heutzutage noch für Gesetze?
Wie die viel strapazierte „ganze Härte des Gesetzes“ in der deutschen Praxis aussieht, zeigt ein gestriges Kölner Gerichtsurteil. Man höre und staune, der Spiegel berichtet:  Die beiden Marokkaner Mehdi E.-B. (18) und Otman K. (19), beide Asylbewerber, werden verdächtigt, in Köln an Silvester Frauen sexuell belästigt und beklaut zu haben. Gestern standen sie wegen eines Antanz-Trickdiebstahls vor Gericht.
Mehdi E.-B. reiste Anfang Dezember als Flüchtling in die Bundesrepublik ein. Noch im selben Monat wurde er bei einem Ladendiebstahl erwischt. Sein Komplize Otman K. ist der Polizei wegen Diebstahls und Körperverletzung bekannt.
Die Beiden werden im Eilverfahren (binnen einer Woche) vor Gericht gestellt.  Die Anklage lautet „gewerbsmäßiger Diebstahl“. Die Richterin mahnt: “Das sollte nicht noch mal vorkommen” und verurteilte die Beiden wegen einfachen Diebstahls zu einer Woche Jugendarrest. Und weil das Duo den Arrest mit der Untersuchungshaft bereits abgesessen hat, tanzen die Antänzer schon wenige Minuten später kichernd aus dem Gerichtssaal.
Tja, Frau Merkel, Herr Maas und Herr de Maizière, so geht Rechtsstaat, mit der ganzen Milde des Gesetzes.
Und noch was: seit gestern macht mir das Zeitunglesen wieder richtig Spaß. Einige Leitmedien, man höre und staune, trauen sich nicht mehr, „nicht hilfreiche“ Fakten wegzulassen.
Oder aber, einige Journalisten haben die Schnauze gestrichen voll.
 achgut.com / Manfred Haferburg

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