Tuesday, March 29, 2016

Qualitätsprodukt

Hans-Christian Rößler, für die »Zeitung für Deutschland« in Jerusalem stationiert, versucht, dem Publikum daheim zu erklären, wie Israel mit dem tödlichen Schuß eines Soldaten auf einen »palästinensischen« Terroristen in Hebron umgeht. Herausgekommen ist dabei ein Glanzstück kritischen deutschen Nahost-Journalismus’, zu dem der FAZ uneingeschränkt zu gratulieren ist.
Irgendwie scheint der Autor Vorurteile, möglicherweise sind es die eigenen oder solche, die er seiner Kundschaft zutraut, und die Realität in Übereinstimmung zu bringen, scheitert aber kläglich daran und verstrickt sich in Widersprüche. So behauptet er etwa, »Kritik am Vorgehen der israelischen Sicherheitskräfte kam bisher fast nur von den Palästinensern und aus dem Ausland«.
Und dann zitiert er Elazar Stern, einen früher für die Ausbildung von Offizieren zuständigen Generalmajor der Reserve, der »das schnelle Durchgreifen der Armeeführung« gegen den Soldaten, der den tödlichen Schuß abgegeben hat, »für richtig« hält: »Wenn wir einen Anschlag verhindern können, müssen wir den Angreifer töten, aber nicht mehr, wenn diese Gefahr gebannt ist«.
»Die Kommandeure hätten das Betselem-Vido [sic!] nicht gebraucht, sondern sofort selbst eine Untersuchung eingeleitet – dies sei aus eigenem Interesse geschehen, ›nicht weil wir Angst vor dem Ausland haben, sondern weil wir besorgt sind, welche Auswirkungen diese Tat auf andere Soldaten haben kann‹, sagt Stern. Denn im Ehrenkodex der israelischen Armee stehe die ›Reinheit der Waffen‹ ganz oben.«
Und genau dieses Vorgehen, diese Distanzierung der israelischen Streitkräfte von ihrem Soldaten, sollen also Ramallah und »das Ausland« kritisieren? Ähnlich wirr schildert Hans-Christian Rößler die politische Diskussion des Vorfalls. Er beginnt dazu mit einer Meinungsumfrage, nach der 56 Prozent der Befragten »das gerichtliche Vorgehen gegen den jungen Soldaten für falsch« halten.
Und dann folgt die Feststellung, »das sehen auch israelische Politiker ähnlich«. Das ist an sich nicht falsch. Es gibt aber auch den einen oder anderen israelischen Politiker, der »das« anders sieht. Unter ihnen Benjamin Netanjahu, israelischer Außenminister und Premier: »Die Tat des Soldaten widerspreche [..] den Werten der israelischen Armee und müsse deshalb untersucht werden«.
Auch hier stellt sich die Frage, wie diese Haltung des gewiß nicht ganz unwichtigen Chefs der Regierung zur Behauptung des Autors paßt, »Kritik am Vorgehen der israelischen Sicherheitskräfte kam bisher fast nur von den Palästinensern und aus dem Ausland«, falls der damit das Handeln des Soldaten und gerade nicht die Reaktion der israelischen Streitkräfte darauf meinen sollte.
Ganz offenbar versucht Hans-Christian Rößler, die »palästinensische« Version der Geschichte zu erzählen: Ein glückloser »palästinensischer« Verzweiflungstäter wird zunächst von der israelischen Soldateska daran gehindert, seine Mission erfolgreich zu beenden, und dann, beklatscht von ganz Apartheid-Israel, auch noch kaltblütig abgeknallt, als er sich schon nicht mehr wehren kann.
Freilich hat es sich so eben gerade nicht zugetragen. Noch stand (und steht) gar nicht fest, ob der tödliche Schuß des Soldaten auf einen Terroristen, der nur wenige Minuten zuvor einen Kameraden angegriffen hatte, ungerechtfertigt gewesen sein könnte, da sah er sich schon von Armee- und Staatsführung vorverurteilt. Und nun wird auch diese offizielle Reaktion selbst diskutiert.
Das nennt man lebendige Demokratie oder auch Rechtsstaat, Begriffe, die in der Region allerdings nur den wenigsten Menschen außerhalb Israels geläufig sein dürften. Den FAZ-Autor drängt es wohl, ihren Ressentiments, die zugleich die seiner Zielgruppe sind, gerecht zu werden. In diesem Fall hätte er darauf besser verzichtet. Denn das, was dabei herausgekommen ist, ist eine Zumutung.
 tw24

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