Tuesday, October 02, 2018

Nun schmeißt man einem türkischen Potentaten Hoheitsrechte vor die Füße

Es begann im Grunde im Jahr 2000 mit der neuen Regelung der doppelten Staatsbürgerschaft. Folge ist unter anderem, dass rund 530.000 in Deutschland lebende Türken den sog. Doppelpass haben und damit für Deutschland und für die Türkei wahlberechtigt sind. Zwar gibt es keine gesonderte Auswertung, wie in Deutschland lebende Türken mit und ohne Doppelpass wählen, aber von allen in Deutschland lebenden Türken, die ihre Stimme abgaben, wählten im Juni 2018 exakt 64,8 Prozent die AKP Erdogans; sie stimmten damit der Umwandlung der Türkei in ein autokratisches Präsidialsystem zu. Mit ihrer Stimmabgabe bei Wahlen in Deutschland beeinflussen sie zugleich die Art und Weise, wie die Bundesrepublik mit der Türkei resp. mit Erdogan umgeht.Welch seltsame Folgen die Preisgabe von Souveränitätsrechten hat, zeigte sich jetzt anlässlich des mit viel Pomp begangenen „Staatsbesuches“ Erdogans in Berlin und in Köln. Dass Erdogan sogar bei dem vom Bundespräsidenten gegebenen Staatsbankett die Contenance verlor und pöbelte? Dass er die Bundesregierung aufforderte, kritische türkische Journalisten auszuliefern? Geschenkt! Jeder blamiert sich, so gut er kann. Aber auch die Einladenden blamierten sich. Während sonst gerne und inflationär „Zeichen gesetzt“ werden, duckte man sich lieber weg. Die Einladenden hätten wissen können, was auf sie zukommt, bevor sie die roten Teppiche ausrollen ließen. Eilfertig hinterhergeschobene Erklärungen, hinter verschlossenen Türen habe man Erdogan die Meinung gegeigt? Ebenfalls geschenkt!Was aber sehr seltsam anmutet, ist, welche Rechte sich Erdogan und sein Tross herausnahmen bzw. welche Hoheitsbefugnisse der Ex-ZDF-Journalist und Regierungssprecher Steffen Seibert dem Besucher aus der Türkei vor die Füße wirft. Seibert ließ einen kritischen – durchaus schon mal kriminell gewordenen, aber dafür bestraften – türkischstämmigen Journalisten aus der von Merkel und Erdogan gegebenen Pressekonferenz von Sicherheitsleuten hinausführen, weil er auf seinem T-Shirt mit einer entsprechenden Aufschrift Freiheit für Journalisten in der Türkei forderte. Und in Köln nahmen Erdogans Sicherheitsleute eigenmächtig Absperrungen an der von Erdogan neu eröffneten Moschee vor, ehe deutsche Sicherheitsbehörden diese Absperrungen aufhoben. Davon, dass Erdogan bereits kurz nach seiner Ankunft gestisch das Zeichen der extremistischen und vom Verfassungsschutz beobachteten Muslembruderschaft zeigte, sollte ebenfalls aufhorchen lassen. Immerhin lauten deren Leitgedanken: „Der Prophet ist unser Führer. Der Koran ist unsere Verfassung.“
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/deutschland-ist-ein-souveraener-staat-auf-dem-papier/

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