Nach anfänglichem Zögern greift London hart durch - Muslimischer Extremist verhaftet
von Thomas Kielinger
London - Der Konflikt um die Mohammed-Karikaturen eskaliert auch in Großbritannien. Ein militanter britischer Moslem, Omar Khayam, 22, wurde gestern früh in seiner Wohnung in Bedford aufgegriffen und auf ausdrückliche Weisung von Innenminister Clarke in Untersuchungshaft genommen. Khayam hatte am Wochenende an einer Demonstration in London teilgenommen, auf der mehrere Plakate zu Gewalt, Totschlag, Mord und Massenmord aufriefen, als Reaktion auf die inkriminierten Karikaturen. Der jetzt inhaftierte Mann hatte als Form seines Protestes die Kostümierung eines Selbstmordattentäters gewählt.
Auf Photos von der Gewaltdemonstration erkannten Sicherheitsbeamte Omar Khayam als einen seit 2002 vorbestraften Drogen-Dealer wieder, der seinerseits zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden war, aber nach Verbüßung der Hälfte der Zeit auf Bewährung freikam. Seine Neuinhaftierung folgt einem öffentlichen Reuebekenntnis, das Khayam am Montag im Beisein seines Wahlkreisabgeordneten abgab und in dem er sich entschuldigte für die "unbedachte, gefühllose" Form seines Protestes, die "wohl noch schlimmer war als das, wogegen ich demonstrieren wollte." Durch seine Teilnahme an der betreffenden Demonstration hatte er aber gegen die Auflagen seiner Bewährung verstoßen. Strafrechtliche Schritte werden folgen - wegen der implizierten Verherrlichung von Attentaten.
Mit Strafverfolgung müssen auch andere der Demonstranten rechnen, die sich bei den beiden Märschen am Freitag und Samstag mit blutrünstigen Slogans übertrafen. Härte verlangten auch moderate moslemische Meinungsführer, wie der "Muslim Council of Britain" (MCB). Die Polizei hat entsprechend "rasches Vorgehen" versprochen. Das erscheint um so dringender angesichts der Tatsache, daß sich die öffentliche Meinung allmählich von einer Attitüde des Verständnisses für moslemische "Empfindlichkeiten" zu einer Haltung wachsender Empörung wandelt - gerade über die radikalen "fellow travellers" dieser Empfindlichkeiten, die nichts anderes im Sinn haben als die gewaltsame Subversion der britischen Kultur, wie Simon Heffer gestern im "Daily Telegraph" argumentierte.
In der Tat sieht sich die Blair-Regierung dem ersten Test ihres vor einer Woche verabschiedeten Gesetzes "gegen Rassismus und Auforderung zu religiösem Haß" ausgesetzt. Das öffentliche Herumtragen einiger der Plakate vom Wochenende würde, wenn ungeahndet, diese neue Gesetzgebung der Lächerlichkeit preisgeben.
Einige Kostproben der gemalten Sprüche: "Köpft jeden, der den Islam beleidigt." "Ein Massaker denen, die den Propheten entehren." Ein weiterer Text zielte, gereimt, auf ganz Europa: "Europe you will pay. / 9/11 is on its way." Einem Kleinkind hatte man eine Pudelmütze aufgesetzt mit dem Slogan "Ich liebe al-Qaida", während mehrere Sprücheträger der britischen Gesellschaft ein neues "7/7" androhten - eine Anspielung auf die Bombenattentate in London vom 7. Juli 2005. Sieben Prozent aller britischen Moslems befürworten einer jüngsten Umfrage zufolge solche Attentate auch in England.
Die Medien schlagen in diesen Tagen einen kritischeren Ton an. Zunächst hatten sie in großer Eintracht davon Abstand genommen, die beanstandeten Karikaturen nachzudrucken, aus Rücksicht, einen schon außer Kontrolle wütenden Flächenbrand nicht noch weiter zu schüren. Entsprechend einer Umfrage in der "Times" befürwortet die Öffentlichkeit das Prinzip des Rechts der Veröffentlichung auch anstößiger Inhalte, hält aber in der Praxis wahlweise Zurückhaltung in der Ausübung dieses Rechts für angemessen. "Dies ist kein Appeasement", schreibt das Blatt, "sondern verantwortlicher Umgang mit dem Recht auf freie Rede."
Aber bei Verletzung der Gesetze des Landes - Aufruf zu Terror und Mord gilt auf der Insel seit dem 14. Jahrhundert als strafbar - kommt jede Rücksicht an ihre Grenzen. Mehrere Kolumnisten sprechen kritisch von dem "Glacee-Handschuh-Verhältnis" der Blair-Regierung gegenüber den Moslems. Jasper Gerhard schrieb bereits am Wochenende in der "Sunday Times", der Islam sei "durch ein unsichtbares Blasphemie-Gesetz geschützt: Furcht".
Und auch Charles Moore beklagt im "Spectator" von dieser Woche, daß sich Außenminister Straw zwar über die "Gefühllosigkeit" der Karikaturen aufgeregt habe, aber nichts über die zu sagen hatte, "die uns mit Tod bedrohen". Moores Fazit: "Die westliche Kultur wird gegenüber dem militanten Islam von einem Wort dominiert: Angst."
diewelt.de
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