Berlin - In Spitzenkreisen der SPD herrscht nachhaltiger Unmut über die Rhetorik der Bundeskanzlerin im Atomstreit mit dem Iran. Mit Unverständnis haben intern inzwischen auch SPD-Minister reagiert, darunter Außenamtschef Frank-Walter Steinmeier.
Die Kanzlerin hatte bei der Münchner Sicherheitskonferenz vor einer Woche das iranische Atomprogramm attackiert, den Westen vor "Appeasement" gewarnt und mit Blick auf die Mitte der dreißiger Jahre gesagt: "Es hat sich im nachhinein herausgestellt, daß es Zeiten gegeben hätte, in denen man anders hätte reagieren können." Gerade Deutschland sei verpflichtet, "den Anfängen zu wehren".
"Dieser Vergleich ist mißraten", sagte der Sprecher des SPD-Netzwerker-Flügels, Christian Lange, der WELT. "Eine Militarisierung der deutschen Außenpolitik ist der falsche Weg und mit der SPD in der großen Koalition nicht zu machen." Die SPD-Fraktionsspitze teilt diese Einschätzung.
Die Kanzlerin will sich kommenden Mittwoch in einer nichtöffentlichen Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags allen Fragen stellen. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Gert Weisskirchen, rechnet damit, daß es auch um ihre Iran-Äußerungen gehen wird. "Historische Vergleiche sind immer schwierig", sagte Weisskirchen. Es käme jetzt darauf an, daß die internationale Staatengemeinschaft beieinander bleibe und gegenüber dem Iran eine gemeinsame Haltung zeige. Diplomatie müsse den Vorrang haben: "Dazu hat Frau Merkel auch beigetragen", lobte Weisskirchen. Er sehe nicht, daß die Kanzlerin Handlungsspielräume aufgegeben habe.
Auch er habe Angela Merkels Vergleich der Appeasement-Politik gegenüber dem Dritten Reich mit dem heutigen Verhalten gegenüber dem Iran "nicht als glücklich empfunden", sagte der SPD-Iran-Experte Rolf Mützenich. Er halte es "grundsätzlich für problematisch, die deutsche NS-Vergangenheit durch Vergleiche zu relativieren". Allerdings betonte Mützenich, er teile die Einschätzung der Kanzlerin, "daß Teheran eine sehr gefährliche Politik betreibt, und wenn der gewählte Präsident den Holocaust leugnet, muß man dem entschieden entgegentreten".
Außenminister Steinmeier wiederum hatte bei einem ähnlichen Anlaß deutlich gemacht, daß er in der aktuellen Außenpolitik nichts von Vergleichen mit der Nazizeit hält. "Historische Vergleiche sollten wir aus der Region beziehen. Das wäre der Mittlere Osten und nicht Europa", hatte er in einem Interview vor zwei Wochen gesagt. Auf ihrer Israel-Reise Ende Januar hatte Merkel mehrfach vor "Appeasement" im Umgang mit der iranischen Führung gewarnt.
In Regierungskreisen der Union dagegen gelten die SPD-Äußerungen als Bestandteil der laufenden Landtagswahlkämpfe.
nik./MLU/A.G.
WELT.de
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