Islamkritikerinnen in der Kritik
von kerstin eschrich
Gehen Frauen wie Seyran Ates, Necla Kelek und Ayaan Hirsi Ali zu weit mit ihrer Kritik am Islam? Haben sie sich korrumpieren lassen? Machen sie sich zu Komplizinnen eines Diskurses, der nach Homogenisierung trachtet, selbst wenn er von individueller Freiheit, Gleichberechtigung und Säkularität redet? Beleidigen sie die türkischen Frauen, wie Hürriyet über Ates behauptet? Sind sie gar »Ratten in den Löchern«, wie der dänische Imam Abu Laban dem Spiegel zufolge über Hirsi Ali sagte?
Keiner der Vorwürfe trifft zu, aber sie spiegeln wider, wie recht die Autorinnen mit ihrer Kritik haben. Mutig klagen sie die Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen an und kritisieren die restriktive Sexualmoral, wie sie in fast allen muslimischen Gesellschaften vorherrscht. Sie, die selbst aus muslimischen Familien stammen, halten nicht länger den Mund, wenn Frauen im Namen islamischer Traditionen geknechtet werden, auch wenn dadurch der schöne Schein des Multikulturalismus in westlichen Gesellschaften zerstört wird. »Ein Deckmantel für eine Ideologie, die nicht hingucken will«, nennt Ates dieses vermeintlich antirassistische Konzept.
Das Engagement dieser Frauen stört auch einige Migrationsforscher, die sich mit einem Appell (»Gerechtigkeit für die Muslime«) gegen das Vorgehen von Kelek, Ates und Hirsi Ali wenden. Deren Bücher handeln zumeist von ihren eigenen unschönen Erfahrungen mit islamischen Traditionen. Sie seien »reißerische Pamphlete, in denen eigene Erlebnisse und Einzelfälle zu einem gesellschaftlichen Problem aufgepumpt werden«, heißt es abwertend in dem Appell. Der Vorwurf, auf eine unkritische Weise mit der »westlichen Gesellschaft« zu liebäugeln, klingt im gesamten Text durch.
Die dissidenten Autorinnen lassen sich allerdings nicht abschrecken, auch wenn sie dafür einen hohen Preis zahlen müssen. Hirsi Ali, die das Drehbuch zu Theo van Goghs islamkritischem Film »Submission I« verfasst hat, kann sich nur unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen in der Öffentlichkeit bewegen. Der Mörder von Theo van Gogh heftete eine unmissverständliche Botschaft an sie auf die Brust des Ermordeten.
Die Dissidenten des Islam, zu denen sie sich auch selbst zählt, hätten kein Öl oder keine Atombomben, sagte Hirsi Ali auf einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche in Berlin. »Wir haben nur wenig Einfluss, aber was wir haben, sind unsere Gedanken, und wir brauchen das Recht, sie zu veröffentlichen.«
Nach Berlin war sie gekommen, um »das Recht zu verteidigen, beleidigen zu dürfen«. Sie sprach sich vehement für die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen aus. »Schande über diese Zeitungen und Fernsehstationen, die nicht den Mut hatten, ihren Lesern und Zuschauern die Karikaturen zu zeigen. Diese Intellektuellen leben von der Meinungsfreiheit, aber sie akzeptieren Zensur. Sie verstecken ihre Kleingeistigkeit hinter noblen Parolen wie ›Verantwortung‹ und ›Sensibilität‹.«
Den gleichen Eindruck haben offensichtlich auch die deutsch-türkischen Autorinnen. Trotz aller Kritik befürworten sie sowohl den so genannten Muslimtest in Baden-Württemberg als auch die Gesetzesänderungen zur Ächtung von Ehrenmorden. Von den linken »Gutmenschen« erwarten sie sich keine Hilfe mehr.
jungle-world.com
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