Monday, January 18, 2016

Anschlag auf Synagoge in Wuppertal: Sechs Brandsätze in der Nacht

Drei junge Palästinenser füllen nachts an einer Tankstelle mehrere Glasflaschen mit Dieseltreibstoff, verstopfen sie mit brennenden Stofffetzen und werfen die Brandsätze gegen die Eingangstür des jüdischen Gotteshauses in Wuppertal. Handelt es sich dabei um Antisemitismus? Nein, urteilte das Wuppertaler Amtsgericht im Februar 2015. Zwar sei die Aktion ein schwerwiegendes Indiz für eine derartige Gesinnung. Doch der Angriff allein lasse noch keinen sicheren Schluss auf Judenfeindlichkeit zu. Denn außer dem Anschlag hätten sich "keinerlei Anhaltspunkte" dafür ergeben, dass die jungen Männer antisemitisch eingestellt seien. Der Prozess, der in Deutschland wenig Aufmerksamkeit erregte, sorgte anderswo für großes Aufsehen. Mehrere amerikanische Zeitungen, unter anderem die "New York Times", berichteten über den Fall, in Israel griff die "Jerusalem Post" das Thema auf. Sowohl die Tat als auch die Einschätzung des Richters sorgten bei vielen in Deutschland lebenden Juden für Fassungslosigkeit und Unverständnis. Richter Sturm mochte sich zu der Kritik an seinem Urteil, gegen das die Staatsanwaltschaft und einer der Verurteilten Berufung einlegten, nicht äußern.Ob das Wuppertaler Landgericht die Motive der Brandstifter ähnlich wertet, wird sich nun herausstellen: Am Montagvormittag beginnt die Berufungsverhandlung. Angeklagt sind nur die beiden älteren Beschuldigten. Gegen den 19-Jährigen, bei dem noch Jugendstrafrecht angewandt werden kann, wird erst im Februar verhandelt. Besonders die Mitglieder der jüdischen Gemeinde wollen den Prozess kritisch beobachten - sie hoffen auf ein Zeichen, womöglich eine Entschuldigung. Seit dem Anschlag auf ihre Synagoge fühlen sich viele der rund 2000 Wuppertaler Juden nicht mehr sicher. Die meisten kamen um 1990 aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, wo sie wegen ihrer Religion schikaniert und diskriminiert wurden, nicht studieren durften, bei der Berufswahl behindert wurden. Umso mehr wussten sie die Toleranz und die Freizügigkeit in ihrer neuen Heimat zu schätzen - bis zum Anschlag.
 spiegel.de

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