Wednesday, May 02, 2018

Der Antisemitismus in der Bundesrepublik wuchert und wächst -- Doch statt die Täter abzuschrecken, setzt der Staat auf Sonntagsreden und betroffene Gesichter

Viele Deutsche wiederum können den Judenhass der muslimischen Migranten nicht fassen, egal, ob es sich um Enkel der sogenannten Gastarbeiter oder um Asylbewerber aus arabischen und nordafrikanischen Ländern handelt, die gerade erst angekommen sind. Mit dem alten, dem rechtsextremen Antisemitismus ist die Gesellschaft vertraut. Durch die – zu Recht – intensive Beschäftigung mit dem Holocaust, durch Schulbesuche in KZ-Gedenkstätten und in vielen Fällen auch durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte hat sich bei vielen der Eindruck verfestigt, dies sei die einzig mögliche Erscheinungsform des Judenhasses. Dass es auch eine verbreitete linke Version gibt, die Terrorangriffe gegen Israel als Freiheitskampf verklärt und zum Boykott des Landes aufruft, ist zwar irgendwie bekannt, wird aber oft als kleineres Übel abgetan.Vor allem linke Intellektuelle hadern mit dem neuen Judenhass. Muslimische Antisemiten seien doch selbst Opfer, sagen sie gerne – der israelischen Siedlungspolitik, der deutschen Fremdenangst, der Verheerungen des Imperialismus und der Spätfolgen des Kolonialismus. Dann folgen mit staatstragender Miene vorgetragene Appelle. Man dürfe auf keinen Fall das «Spiel der Hetzer» mitmachen. Um Juden zu schützen, dürften Muslime nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Islamophobie sei keine Antwort auf den Antisemitismus. Eine Minderheit dürfe nicht gegen eine andere ausgespielt werden. Man hat diese Sätze und Signalwörter so oft gehört, dass man sie kaum noch infrage stellt. Das Problem ist, dass sie den Blick gleich in mehrfacher Hinsicht vernebeln. Beispiel Generalverdacht: Fragt man jene, die den Begriff warnend im Mund führen, dann hört man, dass es darum gehe, falsche Generalisierungen zu verhindern. Wenn ein muslimischer Migrant einen Juden mit dem Gürtel verprügle, dürfe man daraus keine zwingenden Schlüsse über andere muslimische Migranten ziehen. Jeder Einzelfall müsse für sich betrachtet werden. Man hört zu und denkt: Ja, was denn sonst?Worauf die Warner eigentlich abzielen, ist etwas anderes. Sie wollen nicht nur falsche Generalisierungen verhindern, sondern jede Form der Generalisierung. Wenn ein muslimischer Migrant einen Juden attackiert und dann noch einer und noch einer, dann soll aus der Mehrzahl dieser Einzelfälle kein statistischer Zusammenhang abgeleitet werden. Und falls das doch einmal passiert, dann wird er sofort mit anderen, medial und politisch abgespeicherten Formen des Hasses konterkariert. Auf Muslime. Auf Dunkelhäutige. Auf Arme. Weil der neue Hass unerwünschten Ursprungs ist, soll er weder verstanden noch bekämpft werden. Der Historiker Michael Wolffsohn hat die Konsequenz dieser Haltung kürzlich in einem Interview mit der NZZ beschrieben. Laut der deutschen Kriminalstatistik wurden im vergangenen Jahr knapp 1500 antisemitische Straftaten erfasst. 90 Prozent davon werden Rechtsradikalen zugeordnet. Viele judenfeindliche Vorfälle landen laut ihm unter dem Stichwort «Israel-Palästina-Konflikt» in einer ganz anderen Statistik, jener für politisch motivierte Kriminalität. Wolffsohn nennt dieses Bild «völlig verzerrt».
https://www.nzz.ch/feuilleton/deutschland-denkt-nur-an-seine-toten-juden-ld.1381341

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