Wednesday, September 05, 2018

Sie kennen keine Res Publica mehr

Der Leitartikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 29. August von Peter Carstens beginnt mit dem Satz: „In einer Großstadt geraten am Rande eines Volksfestes mehrere Männer in Streit.“ So wird der Ausgangspunkt der Ereignisse in Chemnitz beschrieben. Von einem Angriff auf ein allgemeines Rechtsgut ist nicht die Rede. Die Sache erscheint als Privatstreit, der irgendwie eskaliert ist. Männer „geraten in Streit“. Die Tatsache, dass die Angreifer schon bewaffnet auf den Platz gekommen sind, kommt ebenso wenig vor wie die Tatsache, dass sie eine Gruppe bildeten, dass sie ihre Opfer verfolgten und die Tat dann terroristische Züge annahm, wie die Zahl der Messerstiche zeigt. Zugleich wird der öffentliche Rechtsraum des Volksfestes ausgeblendet: die Ereignisse sollen sich „am Rande“ abgespielt haben. Das Mordopfer wird ausgebürgert.

So manipuliert schon der Einleitungssatz das ganze Szenario. Der tödliche Angriff spielt gar keine Rolle mehr. Er ist irgendwie „geschehen“. Die politische Auseinandersetzung soll, nach Willen des Leitartiklers, erst dort begonnen haben, wo die Chemnitzer auf den Angriff reagierten. Nicht diese Tat ist das Politikum, sondern der Bürgerzorn. Wird die Sachlage so hingebogen, ist es ein Leichtes, den Bürgerzorn als extremistisch darzustellen, als provinziell-intolerant und als rechtsradikal-rassistisch. Und damit hat der Schreiber die Angelegenheit dort, wo er sie hinhaben will: Chemnitz ist das Problem und nicht das Verbrechen, das am öffentlichen Leben der Stadt verübt wurde.Es ist ein so ungeheuerliches Täuschungsmanöver, das man es kaum glauben kann. Wann hat man in der Geschichte der Bundesrepublik einen tödlichen Angriff völlig zu überspielen versucht, indem man eine Großkampagne gegen einen ganz anderen Feind in Gang setzt? Und dies Manöver findet in der aktuellen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Führungsschicht kaum Widerspruch. Der zitierte Leitartikel ist kein Ausrutscher, sondern zeigt, wie weitgehend das politische Leben in Deutschland degeneriert ist. Es wird von einer Kampagne in Beschlag genommen, und kommt nicht dazu, von den Regierenden die Erfüllung ihrer Pflichten zu verlangen. So findet eine Zerstörung der gemeinschaftlichen Rechtsgüter unserer Republik statt, ohne dass dies überhaupt im Fokus der Aufmerksamkeit steht.

https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/helds-ausblick/sie-kennen-keine-res-publica-mehr/

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