Tuesday, July 04, 2006

Antiamerikanismus

Sebastian Voigt
Referat, gehalten auf der Ferienakademie der Rosa-Luxemburg-Stiftung im September 2005

„Ich wünsche nicht als Verfasser von unverbindlichen, mehr oder minder üblichen
Betrachtungen von mehr oder minder genau geschliffenen Glossen klassifiziert zu werden,
vielmehr als Vertreter von Kampfthesen, der es mindestens verdienen würde, attackiert zu
werden.“ (Günther Anders)
Der Grund warum ich heute über Antiamerikanismus spreche, liegt auf der Hand: Der
Antiamerikanismus ist erneut zu einem Massenphänomen in Europa geworden.
Kein Land der Erde (mit Ausnahme Israels) ruft derartig heftige Ressentiments und
Aversionen hervor wie die USA. In den letzten Jahren gab es eine richtige Flut
antiamerikanischer Literatur. Von Peter Scholl Latour über den notorischen Noam Chomsky,
von Michael Moore bis zu Werner Pirker sind sich alle einig in ihrem Hass auf die USA.
Die beiden Autoren Sardar und Davies schreiben in ihrem antiamerikanischen Buch Woher
kommt der Hass auf Amerika, „dass die Feindseligkeit gegen Amerika heute so verbreitet ist
wie das Verlangen nach frischer, unverschmutzter Luft.“ Dies ist wohl der einzig wahre Satz
in dem Buch. Die Autoren ziehen daraus allerdings die Schlussfolgerung, dass, gerade weil
fast jeder die USA hasst, es dafür auch einen Grund geben müsse.
Während der Antiamerikanismus lange Zeit bei der Europäischen Elite und der Rechten zu
finden war, ist er heute in allen Schichten und bei Leuten jeder politischer Einstellung zu
finden. Die sogenannte Friedensbewegung im Jahre 2003 hat in Europa zu einer
erschreckenden, völlig freiwilligen Gleichschaltung der öffentlichen Meinung geführt. Wie es
der Philosoph Habermas formulierte, wurde dadurch Europa geboren (auf die Implikationen
dieser Aussage ist später noch einzugehen).
Statt diese Tendenzen zu kritisieren, war die Mehrheit der deutschen Linken vorn mit dabei
und bediente das Ressentiment in jeder erdenklichen Art und Weise.
Der Antiamerikanismus und der Antizionismus scheinen heute Prämisse dafür zu sein, wer
oder was sich links nennen darf. Sie sind eine Art Maßstab vermeintlich progressiver Haltung.
So wurde mir ziemlich genau vor einem Jahr auf der letzten Ferienakademie der RLS von
einem PDS Funktionär abgesprochen, links zu sein, weil ich den Zionismus verteidigt habe.
Derselbe PDS Funktionär regte sich furchtbar darüber auf, dass Stipendiaten oder ehemalige
Stipendiaten Positionen vertreten, die angeblich mit der PDS nicht kompatibel seien. Wenn
man inhaltlich nicht mehr weiter weiß, dann belebt man eben die stalinistische Parteilinie
wieder und denunziert Renegaten (derselbe PDS-Mann beschimpfte einen damaligen
Promotionsstipendiaten als Arschloch).
Auch auf der rosastip-mailingliste wurde ich wahlweise als Rechter, Neo-con oder sonst was
bezeichnet. Dies wurde zwar inhaltlich nicht belegt und die Denunzianten machten sich nicht
einmal die Mühe, ihre Unterstellungen anhand von mir geschriebener E-Mails nachzuweisen.
Stattdessen wurden Positionen erfunden, die angeblich Leute aus dem Unfeld vertreten, in
dem ich verortet werde. Es reicht schon, vom Mainstream der Linken divergierende
Positionen zu vertreten und beispielsweise mit Israel solidarisch zu sein, um aus der
identitären linken Kuschelgemeinschaft immer wieder ausgestoßen zu werden, obwohl man
doch ohnehin nicht mehr dazugehören will.
Dies stört mich alles nicht wirklich und mir geht es auch nicht darum, irgendwelche
Kategorien zu besetzen. Vielmehr sind die Kategorien „links“ und „rechts“ zu inhaltsleeren
Termini geworden und es ist in vielen Punkten zu einer erschreckenden Konvergenz von
„linken“ und „rechten“ Ansichten gekommen. Die NPD machte Wahlkampf mit der Hetze
von Oskar Lafontaine gegen sogenannte Fremdarbeiter und vor nicht allzu langer Zeit
marschierten Nazis in Essen unter dem Motto: „Defend old Europe. Keine Waffen für Israel“,
einer Parole, der sich viele „Linke“ sicherlich anschließen könnten.
Antiamerikanismus ist, wie Gitlin schreibt: „eine Emotion, sie sich als Analyse verkleidet. [...]
Wenn der Hass wider eine Außenpolitik zu Hass wider ein ganzes Volk und seine Zivilisation
wird, dann ist jegliches Denken tot und eine Dämonologie lebendig. Wenn die Komplexität
von Gedanken und politischen Auseinandersetzungen sich zu einer Karikatur erniedrigt, dann
rutscht Intellekt in die Nähe zur Akzeptanz von Massenmord.“
Im Vortrag werde ich zunächst auf das Massaker in New York City am 11. September 2001
eingehen, weil dadurch der Antiamerikanismus eine neue Qualität erreicht hat. Danach wird
ein Überblick über die Geschichte des Antiamerikanismus gegeben, die sogenannte
Friedensbewegung beleuchtet und abschließend einige Thesen zum Antiamerikanismus
formuliert.
hier mehr:
http://www.rote-ruhr-uni.com/texte/voigt_antiamerikanismus.pdf

Rote Ruhr Uni

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