Der Gruß türkischer Nationalisten: Ein Jugendlicher bildet bei einem Demonstrationszug in Berlin mit seinen Fingern den Kopf eines Wolfes nach.
VON HELMUT FRANGENBERG
Türkische Nationalisten finden Anhänger unter Kölner Schülern. Diese sorgen an Schulen für ein Klima der Angst. Lehrer fühlen sich allein gelassen.
„Guten Morgen, meine Soldaten“ steht zur Begrüßung auf der Tafel. Dazu drei Halbmonde und das Kürzel der türkischen rechtsextremen Partei der nationalistischen Bewegung MHP. Jugendliche mit eindeutigen Symbolen an Halsketten oder Ansteckern sitzen im Klassenraum, bereit, mit gezielten Fragen ihren Lehrer zu provozieren und den Unterricht zu torpedieren. Einer von ihnen, ein türkisch-stämmiger Junge der dritten Generation, der die Heimat seiner Großeltern nur von Erzählungen und Fernsehbildern kennt, hat seinen Tisch bemalt: „Wir sind Türken. Gott sei Dank.“
Sie tragen die Symbole der „Grauen Wölfe“ und sind fasziniert von der Idee eines großtürkischen Reichs für ein Volk, das anderen überlegen sei. Sie lassen sich begeistern von Aktivisten, die Antisemitismus, Antikommunismus und Kurdenfeindlichkeit zu einem explosiven Gemisch verbinden. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ist die Bewegung der „Grauen Wölfe“ nun auch noch „zunehmend islamistisch geprägt“.
„Ich bin seit vielen Jahren Lehrer, doch was zurzeit passiert, habe ich noch nicht erlebt“, berichtet Murat Botan (alle Lehrernamen geändert), von einer Kölner Schule. Die Kinder würden in Vereinen und oft auch in der Familie „von geschickten Kräften“ indoktriniert und „gezielt angesprochen“. „Es gibt Treffen, wo Schulungen stattfinden“, ist sich Botan sicher. „Sie sprechen von der amerikanisch-jüdischen Weltherrschaft und davon, in den heiligen Krieg ziehen zu wollen.“ Die Provokationen würden solche Formen annehmen, dass oft kein Unterricht mehr möglich wäre. „Viele Kollegen sind nicht in der Lage, damit umzugehen“, sagt Ahmet Öztürk, Lehrer an einer anderen Kölner Schule. „Einige haben Angst.“ Auch er wurde schon provoziert und beschimpft, als Kommunist und PKK-Mitglied denunziert, weil er sich zum Beispiel geweigert hat, die türkische Nationalhymne zu Beginn des Unterrichts zu singen oder mit den Schülern einen Eid auf die Türkei zu sprechen. „So etwas hat in einer deutschen Schule nichts zu suchen.“ Die türkisch-nationalistischen Gruppen „verbreiten ein Gefühl der Angst und Unsicherheit“, heißt es in der Mitgliederzeitung der Kölner Lehrergewerkschaft GEW, die vor einer Zunahme der Aktivitäten der „Grauen Wölfe“ warnt.
Der Autor Manfred Etscheid beruft sich auf Berichte von Lehrern „mehrerer Kölner Schulen“, spricht von einem „zahlreichen und koordinierten Auftreten in Schulen“. „Türkisch-stämmige Schüler, aber auch Lehrerinnen und Lehrer werden, wenn sie nicht mitmachen, zum Teil massiv bedroht.“ Besonders unter Druck stehen offenbar Lehrer für den muttersprachlichen Türkischunterricht sowie kurdischer Abstammung. Hauptursache für den Zulauf bei den „Grauen Wölfen“ sei, dass den Jugendlichen die Lebensperspektive fehle, so Etscheid. Sie wüssten nicht, wie ihre Zukunft aussehe. Die Provokationen in der Schule seien der „Ausdruck des Elends, in dem sich diese Jugendlichen befinden“. Er fordert disziplinarische Maßnahmen und Solidarität mit den betroffenen Lehrern, nicht zuletzt auch stärkere Bemühungen zur Integration der Kinder und Jugendlichen.
Das sagt auch Kubilay Demirkaya, Leiter eines Arbeitskreises „Integration“ der Kölner CDU. „Die Anhänger der »Grauen Wölfe« haben Rückhalt in der Parallelgesellschaft.“ Er hält mehr Aufklärung unter den Migrantenkindern für dringend nötig. „Es gibt in Deutschland so viele Programme gegen deutschen Rechtsradikalismus.“ Solche Aktivitäten müsse es auch gegen den türkischen Extremismus geben. „Das ist nicht nur Sache der Schulen, sondern ein gesellschaftliches Problem“, meint Süleyman Ates, Vorsitzender des Migrantenausschusses des Kölner DGB. Die Strukturen der Parallelgesellschaft dürften sich nicht weiter verfestigen. Genau das aber wollen die türkischen Rechten in Deutschland. Von einem offensiven Umgang mit dem türkischen Extremismus und Nationalismus sind Schulen, aber ebenso die zuständige Schulverwaltung noch weit entfernt. „Auch die Schulleitungen haben
Angst“, sagen die Betroffenen. Schnell gerate man in eine ausländerfeindliche Ecke. Niemand wolle seiner Schule schaden und so bleibe das Thema ein Tabu - zum Nachteil der betroffenen Lehrer. Sie bleiben nicht nur mit ihren Problemen allein, sie geraten auch in den Ruf, ihre Klassen nicht mehr im Griff zu haben. „Es fehlt an Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung“, sagen Botan und Öztürk. Die meisten deutschen Kollegen würden noch nicht einmal die Symbole der „Grauen Wölfe“ oder der MHP kennen. Wie soll man da das Verbot durchsetzen, politische Symbole zu tragen? Schulleitungen und Schulaufsicht seien gefordert. Doch die schweigen oder zeigen sich wie im Fall der Kölner Bezirksregierung äußerst wortkarg. Man sei dabei, den Sachverhalt zu klären, so die Pressestelle. Man habe die Polizei eingeschaltet und prüfe, welche Schulen betroffen sind. Eine Einschätzung, wie mit dem größer werdenden Problem pädagogisch oder disziplinarisch umgegangen werden könnte, war nicht zu bekommen.(KStA)
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